Foto der Woche Hannah Busing

🗞 46/2023

Berührungen der Haarfollikel setzen Serotonin frei · DFG vertieft Zusammenarbeit mit israelischer Forschungsgemeinschaft · Brustkrebsrisiko nach falsch-positiven Diagnosen

Karl-Richard Eberle
Karl-Richard Eberle

📌 5 weekly picks

1 📌  Berührungen können Glückshormon Serotonin freisetzen

Wissenschaftler am Imperial College in London haben eine interessante Entdeckung gemacht: Haarfollikelzellen können - als Reaktion auf taktile Reize, Bewegungen oder Berührungen - im Gehirn die Neurotransmitter Histamin und Serotonin freisetzen, also jene chemischen Botenstoffe, die mit körperlichen Phänomenen wie Entzündungen und Muskelkontraktionen oder Stimmungsveränderungen in Verbindung gebracht werden.

“Mithilfe elektrochemischer Analysen an menschlichen Haarfollikelpräparaten in vitro konnten wir zeigen, dass Zellen der äußeren Wurzelscheide als Reaktion auf mechanische Stimulation ATP und die Neurotransmitter Serotonin und Histamin freisetzen.” Quelle: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adh3273

Diese Beobachtung liefert eine wissenschaftliche Erklärung, warum sanfte Berührungen der Haare zum Beispiel durch Streicheln ein angenehmes Gefühl und eine positive Stimmung auslösen können. Sie ist ein laut Aussagen der Forschenden Grundstein für zukünftige Studien, um die Rolle von Haarfollikeln sowohl bei der physischen als auch bei der affektiven Berührungsempfindung zu beurteilen.

Zum Science-Originaltext

2 📌 DFG vertieft Zusammenarbeit mit israelischer Forschungsgemeinschaft

Die weltweiten Proteste über den Militäreinsatz Israels im Gazastreifen halten an. Da ist es ein deutliches Signal, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit ihrer israelischen Partnerorganisation Israel Science Foundation (ISF) eine Vertiefung ihrer Zusammenarbeit vereinbart hat. Das geplante Abkommen soll die gemeinsame Förderung deutsch-israelischer Forschungsprojekte ermöglichen und die Grundlage zur Ausarbeitung eines bilateralen Begutachtungsverfahrens bilden.

📝
„Das Memorandum of Understanding war bereits vor dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel Anfang Oktober ausgearbeitet worden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in Israel und in der Region bekommt die Stärkung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit nun zusätzliche Bedeutung, auch als Zeichen der Solidarität.“

Professorin Dr. Katja Becker, Präsidentin DFG

Außerdem bietet die DFG allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in geförderten Projekten, die in der betroffenen Region stattfinden oder deren Arbeiten von der Kooperation mit Partnerinnen und Partnern in der Region abhängen, auch gezielte Unterstützungs- und Entlastungsmaßnahmen an.

🤝
„Wir sind weiterhin entsetzt von der durch nichts zu rechtfertigenden Gewalt und in Gedanken bei allen Opfern, ihren Familien und Freunden. Und wir sind überzeugt, dass wissenschaftliche Zusammenarbeit eine wesentliche Grundlage für stabile internationale Beziehungen ist.“

Professorin Dr. Katja Becker, Präsidentin DFG

3 📌  Trügerische Sicherheit : Brustkrebsrisiko ist nach falsch-positiver Mammographie langfristig erhöht

Ein falsch-positiver Befund bei der Mammographie bedeutet für eine Patientin, dass sich der Verdacht auf eine Brustkrebserkrankung in den Nachuntersuchungen nicht bestätigt hat. Das bedeutet für die betroffenen Frauen eine Erleichterung , da keine Krebserkrankung diagnostiziert wurde. Allerdings zeigt eine Analyse eines schwedischen Brustkrebs-Screenings in JAMA Oncology, dass diese Frauen dennoch ein erhöhtes Risiko auf ein Mammakarzinom haben.

Quelle: AMA Oncol. Published online November 02, 2023

Die Gründe für dieses erhöhte Risiko sind noch nicht vollständig verstanden, aber es wird vermutet, dass biologische und genetische Faktoren eine Rolle spielen könnten.

💡
Ergebnisse: In der bevölkerungsbasierten, gematchten Kohortenstudie in Schweden hatten Frauen mit einem falsch positiven Mammographie-Ergebnis bis zu 20 Jahre lang eine erhöhte Brustkrebsinzidenz und Mortalität; das erhöhte Brustkrebsrisiko variierte je nach Alter, mammographischer Brustdichte und ob beim Recall eine Biopsie durchgeführt wurde oder nicht. Darüber hinaus war das Brustkrebsrisiko in den ersten Jahren nach dem falsch positiven Mammographie-Ergebnis stärker ausgeprägt.

Bedeutung: Die Studie legt nahe, dass das Bewusstsein für Brustkrebs bei Frauen mit einem falsch positiven Mammographie-Ergebnis langfristig gestärkt werden sollte; die Entwicklung von personalisierten Überwachungsprogrammen speziell für diese betroffenen Frauen ist empfohlen.

Quelle: Mao X, He W, Humphreys K, et al. Breast Cancer Incidence After a False-Positive Mammography Result. JAMA Oncol. Published online November 02, 2023. doi:10.1001/jamaoncol.2023.4519

Insgesamt verdeutlicht die Analyse des schwedischen Brustkrebs-Screenings die Bedeutung einer sorgfältigen Interpretation von Mammographie-Ergebnissen und der angemessenen Begleitung der betroffenen Frauen. Es ist entscheidend, dass sowohl medizinisches Fachpersonal als auch Patientinnen sich der möglichen Konsequenzen eines falsch-positiven Ergebnisses bewusst sind und gemeinsam die bestmöglichen Entscheidungen treffen, um das individuelle Brustkrebsrisiko zu managen.

Zur Originalstudie in JAMA Oncology

4 📌 Wie kommt es im Gehirn zur "Phantomwahrnehmung" Tinnitus?

Tinnitus ist eine Erkrankung, bei der die Betroffenen Geräusche wie ein Klingeln oder Pfeifen wahrnehmen, ohne dass es eine äußere Geräuschquelle gibt. Das wird als Phantomwahrnehmung bezeichnet und belastet die Erkrankten stark.

Ein internationales Forschungsteam um Dr. Schilling und Dr. Krauss von der Cognitive Computational Neuroscience Group der Universität Erlangen-Nürnberg hat zusammen mit Neurowissenschaftler:innen in den USA, Kanada, Großbritannien das Zusammenspiel zweier zentraler Prozesse identifiziert, das Phantomwahrnehmungen wie den Tinnitus auslöst. Dadurch kann es dazu kommen, dass das Gehirn ein selbst generiertes Rauschen als realen Ton interpretiert, obwohl es sich nur um ein „Verstärkersignal“ handelt. Das neue Modell erklärt auch, warum Tinnitus oft mit einer Überempfindlichkeit gegenüber leisen Tönen einhergeht, die als Hyperakusis bezeichnet wird: Das Gehirn verstärkt die schwachen Signale.

Die Entwicklung des neuen Modells, betonen die Wissenschaftler, wurde erst durch die Verschmelzung der Forschungsbereiche Computational Neuroscience, KI und Experimentelle Neurowissenschaften maßgeblich ermöglicht.

Zur Originalstudie in BRAIN

Zur Pressemeldung der Universität Erlangen-Nürnberg

📚
Buchtipp zum Thema: Krauss, Patrick, Künstliche Intelligenz und Hirnforschung. Neuronale Netze, Deep Learning und die Zukunft der Kognition, Heidelberg 2023.

DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-67179-5

5 📌 Was uns die "Handgreifkraft" verrät

Die allgemeine Muskelkraft des Körpers kann verlässlich durch die Messung der sogenannten Handgreifkraft mit einem Dynamometer abgebildet werden. In einer Analyse mit 200.389 Teilnehmer:innen der großen NAKO Studie im Alter von 19 bis 75 Jahren stellte das Forschungsteam fest, dass die Handgreifkraft im Alter von 20 bis ca. 40 Jahren ansteigt und dann konstant abnimmt, bei Männern stärker als bei Frauen. Wenn die Handgreifkraft unterhalb eines bestimmten Grenzwertes liegt, besteht der Verdacht auf das Vorliegen einer sogenannten Sarkopenie.

Sarkopenie - DocCheck Flexikon
Als Sarkopenie bezeichnet man den degenerativen altersbedingten Abbau der Skelettmuskulatur.

ℹ️ Die NAKO Gesundheitsstudie

  • NAKO (Nationale Kohorte) ist eine Langzeit-Bevölkerungsstudie (Dauer 20-30 Jahre). Sie wird von einem Netzwerk deutscher Forschungseinrichtungen, bestehend aus der Helmholtz-Gemeinschaft, den Universitäten und der Leibniz-Gemeinschaft, organisiert und durchgeführt.
  • Ziel der Studie ist es, den Ursachen für die Entstehung von Volkskrankheiten, wie beispielsweise Krebs, Diabetes, Infektionskrankheiten und Herzinfarkt auf den Grund zu gehen.

Für Männer lag der kritische untere Grenzwert bei 29 kg, für Frauen bei 18 kg. Diese Angaben können auch als Warnzeichen gelten für das Vorliegen einer bisher unerkannten Sarkopenie. Das ist auch deshalb bedeutsam, weil in einer älteren Kohortenstudie bereits festgestellt wurde, dass ältere Personen mit einer Handgreifkraft unterhalb dieser Grenzwerte ein erhöhtes Sterberisiko hatten.

💡
„Die Folgeuntersuchungen der NAKO Studie werden Aufschlüsse darüber geben können, welche Faktoren für die Erhaltung der Handgreifkraft im Alter eine Rolle spielen und welche Folgen eine niedrige Handgreifkraft für die Gesundheit, Mobilität und Lebensqualität haben kann“.

Marie-Theres Huemer, Institut für Epidemiologie, Helmholtz Zentrum München

Zur NAKOS-Meldung

💬 Über den Tellerrand

🚧 Baustelle: Die deutsche Verwaltung bleibt - weitgehend - analog

Ursprünglich sollten bis Ende des vergangenen Jahres 575 öffentliche Dienstleistungen online verfügbar sein, um Bürger:innen und Unternehmen von lästigen Behördengängen zu entlasten. Neun Monate nach Ablauf dieser Frist sind nur 145 dieser Angebote deutschlandweit online zugänglich, lediglich neun mehr als im vorherigen Quartal. Das hat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in ihrer Studie “Digimeter” festgestellt. Damit sei lediglich ein Viertel aller Vorhaben, die bis 2022 hätten umgesetzt werden sollen, heute Realität.

Zur INSA-Meldung

💻 Digitale Veranstaltung: Online-Aufklärung zur Endometriose

Endometriose ist eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen überhaupt. Weil sich Symptome oft wesentlich unterscheiden, bleibt die Endometriose vielfach unerkannt oder wird erst nach Jahren diagnostiziert. Dennoch gibt es Leitsymptome, die besonders häufig auf eine Erkrankung hinweisen. Zu ihnen zählen (starke) Regelschmerzen oder ein unerfüllter Kinderwunsch. Daneben treten aber auch oft diffuse Unterbauchbeschwerden, Schmerzen beim Wasserlassen und dem Geschlechtsverkehr, Erschöpfung oder weicher Stuhlgang / Durchfall auf. Aufklärung ist deshalb wichtig!

Die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums Düsseldorf (UKD) lädt daher unter dem Motto Schmerzhafte Tage? Nicht die Regel! zu einer digitalen Informationsveranstaltung ein. Expert:innen berichten zu Themen rund um Diagnose, Therapie, Kinderwunsch, Ernährung und Selbsthilfe bei Endometriose.

📅 Dienstag, 21. November 2023, ab 18.00 Uhr

Technische Hinweise für die Teilnahme:  Die Teilnahme ist kostenlos und entweder über Computer, Tablet, oder Smartphone möglich.

Für den Online-Informationstag nutzt die Universitätsfrauenklinik die Kommunikationsplattform Microsoft Teams.

🎧 MINQs Hörtipps

DLF : "Geschlechtsspezifische Ungleichheiten in Forschung und Praxis"

Medizin: Geschlechtsspezifische Ungleichheiten in Forschung und Praxis

Nachhören DLF: "Geschlechtersensible Medizin nützt allen"

DLF vom 06. November 2022

Ärztin Vera Regitz-Zagrosek - “Eine geschlechtersensible Medizin nützt allen”
Als Kardiologin machte Vera Regitz-Zagrosek einst eine gewichtige Entdeckung bei ihren Patienten: Frauen beschrieben bei Herzinfarkten häufig ganz andere Symptome als Männer. Sie folgte diesem Pfad und wurde eine der Pionierinnen der Gendermedizin.
Newsletter

Kommentare