🗞 45/2024
Geschlechtsspezifische Unterschiede hat molekulare Ursachen · Vermeidung von Zucker in den ersten Lebensmonaten minimiert Risiken · Validierte PREMs · Kindernotfallkarte jetzt als App · Neuronale Reprogrammierung gelungen
📌 5 weekly picks
1 📌 Geschlechtsspezifische Unterschiede hat molekulare Ursachen
Obwohl geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Phänotypen der rechten Herzkammer bekannt sind, waren die molekularen Ursachen bisher unbekannt. Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und des Imperial College in London konnten nun nachweisen, dass die rechte Herzhälfte von Frauen und Männern unterschiedlich funktioniert und sich diese Geschlechtsunterschiede bereits auf genetischer Ebene finden. Konkret konnten die Wissenschaftler:innen zeigen, dass genetische Faktoren bei Gesunden wie auch bei Patient:innen mit Lungengefäßerkrankungen die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Funktion und Leistungsfähigkeit des rechten Herzens erklären. Die Struktur und Funktion des rechten Herzens sind bei chronischen Lungenerkrankungen häufig entscheidend für die Prognose.
„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass bei Frauen und Männern unterschiedliche genetisch bestimmte Stoffwechselwege eine Rolle spielen, und heben die Bedeutung des Geschlechts für die Präzisionsmedizin in der kardiopulmonalen Diagnostik und Therapie hervor“, sagt Forschungsgruppenleiter Dr. Lars Harbaum, Oberarzt in der Abteilung Pneumologie der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik des UKE.
Die Studie wurde im Fachmagazin American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine veröffentlicht.
Sex-specific Genetic Determinants of Right Ventricular Structure and Function
https://doi.org/10.1164/rccm.202404-0721OC
2 📌 Zuckerkonsum in den ersten Lebensmonaten eines Kindes erhöht Risiken für Diabetes und Adipositas
Eine kürzlich in Science publizierte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Zuckerkonsum in den ersten 1000 Tagen eines Kindes – während der Schwangerschaft und in den ersten beiden Lebensjahren – einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit hat. Wenn der Zuckerkonsum in dieser Zeit begrenzt werde, sinke das Risiko, später an Typ-2-Diabetes zu erkranken, um 35 Prozent. Zudem könnten die Risiken für Adipositas um 30 Prozent und für Bluthochdruck um 20 Prozent reduziert werden. Die Studie basiert auf Daten aus dem Jahr 1953, als in Großbritannien eine landesweite Zuckerrationierung beendet wurde. Die Rationierung beschränkte die Zuckeraufnahme auf ein Mindestmaß, nach der Rationierung verdoppelte sich der Konsum nahezu.
Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz für Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), äußert sich anlässlich der Veröffentlichung dieser Studie:
„Freiwillige Maßnahmen der Industrie sind krachend gescheitert, die Nationale Reduktionsstrategie bleibt hinter den selbstgesteckten Zielen zurück und Appelle an die Eigenverantwortung allein reichen nicht aus, um den besorgniserregenden Anstieg von Übergewicht und den damit verbundenen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Bevölkerung zu stoppen.”
Bitzer fordert deshalb gesetzliche Regelungen, etwa verbindliche Beschränkungen der Werbung für ungesunde Lebensmittel, wenn sie sich an Kinder richtet, oder die Einführung einer Herstellerabgabe auf stark zuckerhaltige Getränke bei gleichzeitig steuerlicher Entlastung gesunder Lebensmittel.
Exposure to sugar rationing in the first 1000 days of life protected against chronic disease
https://www.science.org/doi/10.1126/science.adn5421
3 📌 PREMs: Durch die Augen der Patienten
Sogenannte PREMs (Patient-reported experience measures) - Patientenberichtete Erfahrungsmessungen - können wertvolle Instrumente zur Bewertung der Patientenzentriertheit (PC) einer Behandlung aus der Sicht der Patient:innen sein, wenn sie tatsächlich zuverlässige Daten liefern. Denn trotz ihrer Nützlichkeit fehlte bisher ein umfassender PREM zur PC-Beurteilung.In einer umfangreichen psychometrischen Analyse konnten Wissenschaftler:innen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) die Validität und Zuverlässigkeit des im UKE entwickelten Fragebogens zur erlebten Patient:innenorientierung EPAT-64 bestätigen. Das Team um Prof. Dr. Isabelle Scholl aus dem Institut und der Poliklinik für Medizinische Psychologie wertete die Daten von rund 2000 ambulant und stationär behandelten Patient:innen aus verschiedenen medizinischen Bereichen aus und konnte zeigen, dass der Fragebogen EPAT-64 ein flexibles und zuverlässiges Instrument darstellt, das sowohl in der Versorgungsforschung als auch in der Qualitätssicherung breite Anwendung finden kann. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden im Fachmagazin BMJ Quality & Safety veröffentlicht.
Through the patients’ eyes: psychometric evaluation of the 64-item version of the Experienced Patient-Centeredness Questionnaire (EPAT-64)
https://qualitysafety.bmj.com/content/early/2024/10/16/bmjqs-2024-017434
4 📌 DIVI-Kindernotfallkarte jetzt als App
Mit Hilfe einer Kindernotfall-App unterstützt DIVI, die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), medizinisches Fachpersonal, Notfallsanitäter und Notärzte bei pädiatrischen Notfällen.
Ein Kindernotfall ist selbst für professionelle Teams immer eine Herausforderung. Die exakte Berechnung der gewichtsadaptierten Medikamentengabe stellt den Rettungsdienst, Erstversorger und auch klinische Notfallteams vor eine der größten Herausforderungen. Damit es nicht zu schwerwiegenden Unter- oder Überdosierungen von Medikation kommt, hat die DIVI Medikationsempfehlungen in der DIVI-Kindernotfallkarte veröffentlicht. Diese wurde nun digitalisiert und in einer im Notfall schnell und leicht anwendbaren App weiterentwickelt.
Konzipiert wurde die App von dem Notfall- & Intensivmediziner Dr. Bernd Landsleitner an der Hallerwiese-Cnopfsche Kinderklinik und dem pädiatrischen Intensivmediziner Prof. Florian Hoffmann von der Kinder- und Kinderpoliklinik im Dr.-von-Haunerschen Kinderspital in München.
Zur Meldung der DIVI
5 📌 Direkte neuronale Reprogrammierung gelungen
Offenbar lassen sich nicht-neuronale Zellen direkt im Gehirn in Nervenzellen mit spezifischen funktionellen Eigenschaften umwandeln. Das berichtet ein Forscherteam der Universitätsmedizin Mainz und des King’s College in London. Wissenschaftler:innen des Instituts für Physiologische Chemie der Universitätsmedizin Mainz haben gemeinsam mit Forschenden des King’s College London einen neuartigen Ansatz - die sogenannte direkte neuronale Reprogrammierung - untersucht, um abgestorbene Nervenzellen zu ersetzen: „Ziel unserer Arbeit war es, eine Methode zu entwickeln, mit der im erkrankten Gewebe vorkommende Astroglia direkt im Gehirn in Nervenzellen mit spezifischen Eigenschaften umgewandelt werden können“, erläutert Professor Dr. Benedikt Berninger, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Physiologische Chemie der Universitätsmedizin Mainz, den Ansatz. Die jetzt im Tiermodell gewonnenen Erkenntnisse zur zellulären Umprogrammierung im Gehirn könnten eine wichtige Rolle für die Entwicklung neuer Behandlungsansätze bei neurologischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen einnehmen.
„Die Neubildung dieser spezifischen Neurone mit Hilfe der direkten neuronalen Reprogrammierung von Gliazellen könnte es eines Tages ermöglichen, erkrankte Nervennetzwerke im menschlichen Gehirn zu reparieren. Unsere im Tiermodell gewonnenen Erkenntnisse haben damit das Potenzial, einen entscheidenden Beitrag für die Entwicklung von neuen Ansätzen zur Behandlung von neurologischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen zu leisten“, betont Professor Berninger.
Die Ergebnisse der Studie wurden in der Zeitschrift Science Advances veröffentlicht.
Reprogramming astroglia into neurons with hallmarks of fast-spiking parvalbumin-positive interneurons by phospho-site-deficient Ascl1
DOI: https://doi.org/10.1126/sciadv.adl5935
💬 Über unseren Tellerrand
🇱🇷 Amerika hat gewählt - “Make America Healthy Again”
Wird Robert F. Kennedy Jr jetzt "Gesundheitszar" im Weißen Haus?
Robert F. Kennedy Jr., bekannt als Feind der Arzneimittelhersteller und Regulierungsbehörden, ist bereit. Der frisch gewählte designierte US-Präsident Donald Trump habe ihn laut N.Y. Times ermutigt, „sich für die Gesundheit einzusetzen“, aber nicht klargestellt, welche Rolle Kennedy spielen wird.
Selbst Dr. Jerome Adams, der in der ersten Amtszeit Trumps als Generalchirurg fungierte, warnte letzte Woche bei der Jahrestagung der American Public Health Association deutlich vor Robert F. Kennedy Jr.
„R.F.K. hat einen erheblichen Einfluss auf die nächste Regierung, was die Bereitschaft der Menschen, sich mit empfohlenen Impfstoffen vertraut zu machen, weiter untergraben könnte“, so Adams. „Ich mache mir Sorgen über die Auswirkungen, die das auf die Gesundheit unseres Landes, auf die Wirtschaft unseres Landes und auf unsere globale Sicherheit haben könnte.“
Trumps Wahlsieg mit Kennedy an seiner Seite sei in den Augen der Anhänger nicht nur ein Auftrag, sondern auch eine Absage an das öffentliche Gesundheitsestablishment. Der gewählte Präsident habe angedeutet, dass Kennedy in seiner neuen Regierung eine Rolle spielen wird, und sogar gesagt, er würde R.F.K. „sich in Sachen Gesundheit austoben“ lassen. Einige haben spekuliert, dass Trump ihn zum „Gesundheitszaren“ im Weißen Haus machen wird, um den Präsidenten in Fragen der öffentlichen Gesundheit anzuleiten. Kennedys Weltanschauung kommt in zwei seiner häufigsten Refrains zum Ausdruck: „Für einen Großteil des Gesundheitssystems gibt es nichts Gewinnbringenderes als ein krankes Kind“ und „Öffentliche Gesundheitsbehörden sind zu Marionetten der Branchen geworden, die sie eigentlich regulieren sollen.“
Weiterlesen bei den Kollegen der New York Times
📣 Ankündigungen
1️⃣ Augenheilkunde: 6. Heidelberger Helmholtz-Tage
Das Repertoire reicht vom Vorderabschnitt, Hornhaut, Linse, Glaukom bis hin zu netzhautrelevanten Fragestellungen. Als besondere Attraktion wird Soosan Jacob aus Indien angekündigt, die als Erfinderin und Advokatin der so genannten CAIRS-Methode – allogene lamelläre Hornhautsegment-Transplantation bei Keratokonus weltweit bekannt ist.
📅 Wann: 22.11. – 23.11.2024
📍 Wo: Heidelberg Congress Center, Czernyring 20, 69115 Heidelberg
🤕 IchalsPatient
Große MINQ-Patientenumfrage gestartet
Diese Woche startete die große Patientenumfrage von Munich Inquire Media. Hierzu schrieb das Recherche-Team von MINQ rund 4.000 Vertreter:innen von Selbsthilfegruppen und Patientenverbänden an. Falls Sie ebenfalls eine SHG oder Patientengruppe betreuen, können Sie diesen Link https://fragebogen.minq-media.de/index.php/248747?token=MJLrOiUP8ldRGlW&lang=de gerne an die Institutionen weiterleiten.
📅 Die Umfrage läuft noch bis zum 30. November 2024.
📍 Wo: Umfrageportal von MINQ (Munich Inquire Media)
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