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🗞 44/2024

Deutschlands Krankenhäuser im militärischen Bündnisfall · Prostatakarzinom: Bessere Lebensqualität nach Bestrahlung · Präventionsmaßnahmen in Deutschland ungenügend · KI-basierte Anomalieerkennung · Neue Ärztinnen- und Ärzteliste für Frauen

Mirjam Bauer Karl-Richard Eberle

📌 5 weekly picks

1 📌 Sind Deutschlands Krankenhäuser auf den militärischen Bündnisfall vorbereitet

Nach Einschätzung von Prof. Dr. Dietmar Pennig, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) gibt es Defizite, derem Behebung jetzt angegangen werden sollte.

„Die deutschen Krankenhäuser haben hinsichtlich der Versorgung von Kriegsverletzungen einen erheblichen Nachholbedarf, lediglich die fünf Bundeswehrkrankenhäuser sind hierzulande mit besonderen Kenntnissen ausgestattet. Im Falle der Ausweitung dieses Konfliktes auf den Bündnisfall wären die vorgehaltenen Betten der Bundeswehrkrankenhäuser und der assoziierten BG-Kliniken innerhalb von 48 Stunden ausgelastet“.

Statement von Prof. Dr. Dietmar Pennig

Der Kongress, der am 25. Oktober in Berlin zu Ende ging, befasste sich am ersten Kongresstag mit einigen weiteren Themen rund um das Thema Kriegsfolgen, etwa Krieg, Terror und Gewalt – was uns bedroht, Krieg, Terror und Gewalt – Herausforderungen oder Zivil-militärische Zusammenarbeit – gemeinsam resilient bei Krieg, Terror und Gewalt!

Zum Kongressprogramm 2024

2 📌  Bei Prostatakarzinom: Ist die Lebensqualität nach Bestrahlung höher als nach OP?

Bei lokal begrenzten Prostatakarzinomen gibt es mehrere Behandlungsoptionen, die im Hinblick auf die Überlebensprognose gleichwertig sind, darunter die operative Prostataentfernung und die Strahlentherapie. Eine aktuelle Studie verglich nun die modernsten Technologien beider Verfahren, die roboterassistierte Operation und die stereotaktische Bestrahlung. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Strahlentherapie der OP im Hinblick auf Sexualfunktion und Kontinenz deutlich überlegen ist. Weil beide Faktoren für die Lebensqualität der betroffenen Männer ausschlaggebend sind, sollten Patienten im Aufklärungsgespräch über diese Studie informiert werden sollten.

Die operierten Männer bewerteten diesen Lebensbereich (Erhalt der Kontinenz) deutlich schlechter als die bestrahlten Männer (median 19 Punkte vs. 62,5 Punkte). Der Anteil der Männer, die über mäßige bis schwere sexuelle Probleme berichteten, betrug 10 von 30 (33 %) in der Prostatektomie-Gruppe und 8 von 45 (18 %) in der Strahlentherapiegruppe.

Zur Originalstudie

Zur Originalpressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie

3 📌 Ärzte sehen Präventionsmaßnahmen in Deutschland als ungenügend an

Wie das Ärzteblatt berichtet, wird der wichtige Bereich der Prävention von dem Großteil der Ärzteschaft als ungenügend beurteilt. Die Zeitschrift bezieht sich auf eine Studie der Stiftung Gesundheit. Demnach halten mehr als die Hälfte der Ärzte den aktuellen Stand der Prävention in Deutschland für schlecht (48,8 Prozent) oder sogar sehr schlecht (6,5 Prozent).

Die meisten Ärzte sehen laut der Befragung eine breite Aufklärung über präventive Maßnahmen als eine gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe an, sehen sich aber auch in der Verantwortung. Dazu heißt es im Ärzteblatt:

“Obwohl die Mehrzahl der Ärzte bereit ist, mehr Präventionsarbeit in Form von Aufklärung zu leisten, tun es nur die wenigsten. Hauptverantwortlich dafür sind drei Gründe: Sieben von zehn Ärzten kritisieren, dass Präventionsleistungen nicht oder nur unzureichend vergütet werden (69,9 Prozent). Zwei Drittel der Ärzte haben schlichtweg im Arbeitsalltag keine Zeit für zusätzliche Präventionsaufgaben (66,5 Prozent). Und mehr als jeder zweite Arzt gibt an, dass zu viel Bürokratie ihn daran hindere (54,8 Prozent). “

Zum Original-Artikel im Ärzteblatt

4 📌 Warum wird unser Gehirn im Alter anfälliger für neurogenerative Erkrankungen

Aus welchem Grund wird unser Gehirn im Alter anfälliger für neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer? In einem gemeinsamen Projekt erforschen Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des „Scripps Research Institute“ in Kalifornien, USA, die Rolle winziger Moleküle, sogenannter microRNAs, die bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer offenbar eine entscheidende Funktion übernehmen.

Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass microRNAs (miRNAs) die Herstellung und den Abbau bestimmter Proteine steuern. Die miRNAs sind wahrscheinlich entscheidend am Erhalt des Proteingleichgewichts in den Nervenzellen beteiligt. In älteren Gehirnen scheinen insbesondere die durch miRNAs regulierten Proteinen unzureichend erneuert zu werden, welches an einer Fehlsteuerung der miRNAs liegen könnte. Wenn die miRNAs nicht richtig funktionieren, kann das Gehirn anfälliger für Krankheiten werden. Die Wissenschaftler:innen wollen nun auf diesen Erkenntnissen aufbauen und in dem gemeinsamen Forschungsprojekt „A neurodegenerative duet: protein turnover and miRNAs“* (deutscher Titel: Ein neurodegeneratives Duett: Proteinumsatz und miRNAs) herausfinden, welche der miRNAs hauptsächlich an der Entstehung der Gehirnerkrankungen beteiligt sind.

Das Forschungsvorhaben wird von der US-amerikanischen Chan Zuckerberg Initiative gefördert.

Zur Meldung der UMG

5 📌 KI-basierte Anomalieerkennung für erfolgreichere Diagnostik

Forschende von LMU, TU Berlin und Charité haben ein neues KI-Tool entwickelt, das anhand von Bildgebungsdaten auch weniger häufige Krankheiten im Magen-Darm-Trakt erkennen kann.

“KI-Modelle müssen mit einer großen Anzahl von Beispielen trainiert werden, die nur für häufige Krankheiten verfügbar sind. In der klinischen Realität sind die meisten Krankheiten jedoch seltener und aktuelle KI-Modelle übersehen sie oder klassifizieren sie falsch.”

Der neue Ansatz setzt auf Anomalie-Detektion: Aus der sehr genauen Charakterisierung von normalem Gewebe und Befunden häufiger Erkrankungen lernt das Modell, Abweichungen davon zu erkennen und anzuzeigen, ohne dass es für diese selteneren Fälle spezifisch trainiert werden muss. Für ihre Studie sammelten die Forschenden zwei große Datensätze mikroskopischer Bilder von Gewebeschnitten aus gastrointestinalen Biopsien mit den zugehörigen Diagnosen. Darin machen die zehn häufigsten Befunde – dazu gehören normale Befunde und sehr häufige Krankheiten wie chronische Gastritis – etwa 90 Prozent der Fälle aus, während die verbleibenden 10 Prozent insgesamt 56 Krankheitsbilder enthielten, darunter viele Krebsarten. Zusammen mit der Arbeitsgruppe von Professor Klaus-Robert Müller von der Technischen Universität Berlin/BIFOLD und Kolleg:innen der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat Professor Frederick Klauschen, Direktor des Pathologischen Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität München den neuartigen Ansatz entwickelt. Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin New England Journal of Medicine AI (NEJM AI) berichten, benötigt ihr neues Modell nur Trainingsdaten von häufigen Befunden, um auch die weniger häufigen Krankheiten zuverlässig zu identifizieren. Das kann die diagnostische Sicherheit verbessern und Pathologinnen und Pathologen zukünftig deutlich entlasten.

📝
Originalpublikation
J. Dippel & N. Prenißl et al.: AI-based Anomaly Detection for Clinical-Grade Histopathological Diagnostics. NEJM AI 2024
https://ai.nejm.org/doi/full/10.1056/AIoa2400468

Zur Pressemeldung der LMU

PLUS …In eigener Sache

⚧️ Die Ärztinnen- und Ärzteliste für Frauen

Erst in jüngerer Zeit rückt ein Aspekt immer stärker in den Fokus: die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Gesundheit und Krankheit. Zahlreiche Studien zeigen, dass es zwischen den Geschlechtern erhebliche Unterschiede in der Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten, im Krankheitsverlauf und im Ansprechen auf Therapien gibt.

In einer aufwendigen Recherche für die Funke-Mediengruppe recherchierte MINQ Ärztinnen und Ärzte, die sich intensiv mit den Themen der Gendermedizin auseinandersetzen und eine patientenzentrierte Behandlung anbieten. Das Heft ist jetzt im Handel erhältlich.

Neues Heft: Ärztinnen und Ärzte, die geschlechtsspezifische Medizin anbieten

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💬 Über unseren Tellerrand

Weichmacher stören Gehirnfunktion von Wirbeltieren

Phthalate sind wichtige Zusatzstoffe in einer Vielzahl von Kunststoffprodukten. Sie sind z.B. in Kunststoffmatten, PVC-Bodenbelägen, Regenbekleidung, Kosmetika oder Lebensmittelverpackungen enthalten. Jetzt haben Forschende der Universität Bayreuth herausgefunden, dass die Weichmacher DEHP und DINP negative Auswirkungen auf die normale Hirnfunktion von Wirbeltieren haben. Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden im Journal Ecotoxicology and Environmental Safety.

Für ihre Forschung haben Benedikt Maric, Prof. Dr. Stefan Schuster und Dr. Peter Machnik vom Lehrstuhl für Tierphysiologie an der Universität Bayreuth Goldfische einen Monat lang einer umweltrelevanten Weichmacherkonzentration ausgesetzt. Anschließend haben sie die Auswirkung von DEHP bzw. DINP auf das Gehirn am Mauthner-Neuron – der größten Nervenzelle im Stammhirn von Fischen – untersucht. Die Messungen ergaben, dass sowohl DEHP als auch DINP die Leitungsgeschwindigkeit der Nervenzelle um 20 % reduzierten. Eine Reduzierung der Leitungsgeschwindigkeit hätte auch auf andere Nervenzellen und eine normale Funktion des Gehirns einen negativen Effekt. Zudem haben die Forschenden verschiedene negative Auswirkungen auf die Verbindung zwischen den Nervenzellen – die Synapsen – und damit auf die Übertragung der Erregung von einer Nervenzelle auf die andere feststellen können. Die Forschenden fanden außerdem Hinweise darauf, dass beide Weichmacher die visuelle Wahrnehmung der Fische beeinträchtigen.

„Unsere Studie zeigt eine bisher vernachlässigte hohe Sensitivität verschiedener wichtiger Gehirnfunktionen gegenüber Phthalaten. Das ist ein Umstand, der zukünftig bei der Risikobewertung dieser Substanzen berücksichtigt werden muss“, so Machnik.

Zur Pressemitteilung der Uni Bayreuth

Zur Originalpublikation

📬 In unserer Mailbox

1️⃣ Hitzewellen der Zukunft könnten noch tödlicher sein

Wie viel Hitze und Feuchtigkeit kann der menschliche Körper ertragen kann, bevor er überlastet wird. Dr. Matthew Huber, Professor und Direktor am Institute for a Sustainable Future an der Purdue University in den USA und Steven Sherwood, Klimaforscher an der University of New South Wales in Australien untersuchten, wie Schwitzen zur Abkühlung des Körpers beiträgt. Sie stellten fest, dass bei hoher Luftfeuchtigkeit die Verdunstung des Schweißes erschwert wird, was die Kühlung weniger effektiv macht.

Sie entwickelten ein Maß, die sogenannte Feuchtkugeltemperatur (Tw); sie stellt eine Kombination aus Hitze und Luftfeuchtigkeit dar und gilt als kritischer Indikator für die Belastbarkeit des menschlichen Körpers bei extremen Wetterbedingungen. Eine Feuchtkugeltemperatur von 35 °C stellt laut den Forschern das absolute Limit für den menschlichen Körper dar. Bei dieser extremen Kombination aus Hitze und Feuchtigkeit kann selbst ein gesunder Mensch unter optimalen Bedingungen (Schatten und ausreichend Wasser) innerhalb von sechs Stunden einen Hitzschlag erleiden und daran sterben, da der Körper sich nicht mehr abkühlen kann.

Selbst unterhalb dieses Schwellenwertes kann eine hohe Feuchtkugeltemperatur bei längerer Exposition erhebliche Gesundheitsrisiken bergen, insbesondere für vulnerable Bevölkerungsgruppen. Mit den zunehmenden Herausforderungen des Klimawandels wird dieses Phänomen in verschiedenen Weltregionen zu einer realen Gefahr.

Originalbericht in der NYT

2️⃣ Globale Erwärmung läßt Infektionen ansteigen

Die globale Erwärmung könnte nach einem Bericht im Ärzteblatt zu vermehrten Magen-Darm-Infektionen führen. Laut einer Studie, die jetzt im Wissenschaftsmagazin eBioMedicine von Lancet publiziert wurde, nimmt die Zahl der Infektionen mit Sal­monellen und Campylobacter mit jedem Grad Celsius um 5 % zu. Salmonellen vermehren sich bei 35 bis 37 Grad Celsius am besten. Sie sind damit auf die Körpertemperatur warmblütiger Wirte, einschließlich des Menschen angepasst. Campylobacterarten gedeihen am besten bei einer Temperatur von 30 bis 42 Grad Celsius, der Körpertemperatur von Vögeln, die das Hauptreservoir dieser Bakte­rien sind.

📝
Originalstudie
The impact of temperature on non-typhoidal Salmonella and Campylobacterinfections: an updated systematic review and meta-analysis of epidemiological evidence
https://www.thelancet.com/journals/ebiom/article/PIIS2352-3964(24)00429-8/fulltext
(2024; DOI: 10.1016/j.ebiom.2024.105393)

Zum Bericht im Ärzteblatt

📣 Ankündigungen

1️⃣ “Brustlos schön” - Neue Ausstellung über starke Frauen

Der Anstoß für das Projekt rührt aus der persönlichen Erfahrung der Künstlerin: „Meine Mutter ist viel zu jung an Krebs gestorben und meine Schwester musste sich ebenfalls dem Kampf gegen Brustkrebs stellen.“ Mirja Nicolussi hat den Krankheitsverlauf, die Ängste, die Kämpfe und die zu treffenden Entscheidungen hautnah miterlebt. Eine dieser Entscheidungen war, sich nach der Entfernung der Brüste nicht für einen Wiederaufbau zu entscheiden.

Foto: Mirja Nicolussi

Im Fotoprojekt „Brustlos Schön“ porträtiert die Fotografin Frauen, die mutig und stark durch die Herausforderungen des Lebens gehen. „Ich wünsche mir, dass die Frauen die ich porträtiert habe, durch die Bilder andere inspirieren und ermutigen“, so die Künstlerin. Auch MINQ-Regioarzt Dr. Thomas Noesselt, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe und Leiter des Brustzentrums am Hamelner Klinikum befürwortet die Initiative: „Die Fotoausstellung „Brustlos Schön“ erinnert uns eindrucksvoll daran, dass wahre Schönheit weit über das Äußere hinausgeht. Es ist ein Projekt, das Mut, Stärke und Selbstbewusstsein sichtbar macht.“

📅 Wann: 06.11. bis 01.12.24

📍 Wo: Erdgeschoss des Sana Klinikums Hameln-Pyrmont, Saint-Maur-Platz 1, 31785 Hameln

2️⃣ Gemeinsame Perspektiven verspricht der DGN-Kongress

Neurologie und Immunologie – gemeinsame Perspektiven!“ ist das Motto des diesjährigen Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Aber auch „Social Media und Gehirn“ oder „Alkoholassoziierte Hirn- und Nervenschäden“ sowie der Stand von Antikörper-Zulassungen bei Alzheimer sind Bestandteil des 98. Kongresses der Fachgesellschaft.

Nach Ansicht von Kongresspräsident Prof. Dr. Sven Meuth von der Uniklinik Düsseldorf liege in der Einbeziehung der Immunologie ein großes, noch weitgehend ungehobenes Potenzial für die Neurologie und könne zu einem neuen Verständnis beitragen. Denn bisher werden neurologische Erkrankungen klar voneinander abgegrenzt. Ein Schlaganfall ist ein Schlaganfall und eine MS eine MS, das eine habe vermeintlich nichts mit dem anderen zu tun. Bei genauer Betrachtung erkenne man aber, dass oft ähnliche pathophysiologische Mechanismen und immunologische Reaktionen vonstatten gehen und überlappende Prozesse stattfinden. Das bietet neue Perspektiven für Therapien. Damit befasst sich auch das „Presidential Symposium“ des Kongresses am 7. November.

Zu Programm und Anmeldung

📅 Wann: 06.11. bis 09.11.24

📍 Wo: CityCube Berlin (Messedamm 26, 14055 Berlin) und online per Livestream

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