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🗞 37/2024

Risikomarker für Depression · Abschied vom BMI · Apnoe-Therapie nach Herzinfarkt · Shared-Decision-Making · Herzbericht

Mirjam Bauer Karl-Richard Eberle

📌 5 weekly picks

1 📌 Potentieller Risikomarker für Depression entdeckt

Die Depression ist eine episodische neuropsychiatrische Erkrankung, die durch abwechselnde Phasen zwischen gedrückter und ausgeglichener Stimmung gekennzeichnet ist. Das Verständnis der neurobiologischen Mechanismen, die die Stimmungsübergänge im Laufe der Zeit bewirken, ist nach wie vor begrenzt. Man müßte die Übergänge in und aus depressiven Stimmungszuständen an einzelnen Patienten über viele Monate hinweg untersuchen. Ein internationales Forschungsteam um Charles J. Lynch vom Department of Psychiatry, Weill Cornell Medicine in New York hat nun in einer aufwändigen Studie Hirnscans von gesunden Menschen und Menschen mit Depression aufgezeichnet. Dabei stellten sie fest, dass das sogenannte “frontostriatale Salienznetzwerk” bei den meisten Personen mit Depressionen fast doppelt so groß ist wie bei den gesunden Vergleichspersonen. Diese Erweiterung des Salienznetzwerks war über die Zeit stabil und wurde von den jeweiligen Stimmungsschwankungen nicht beeinflusst. Sie war auch bereits bei Kindern vorhanden, die vor dem Einsetzen der Depressionssymptome gescannt wurden, bei denen eine Depression aber erst später in der Adoleszenz auftraten.

Bei visueller Betrachtung war sofort erkennbar, dass das Salienz-Netzwerk bei den Personen mit Depression deutlich größer war.

Die Erkenntnisse weisen darauf hin, dass die Erweiterung des Salienznetzwerks ein stabiles Merkmal von Personen mit einer schweren depressiven Störung ist, aber nicht mit der Schwere ihrer Symptome noch mit der Chronizität ihrer Erkrankung zusammenhängt.

Diese Beobachtungen führten uns zu der Annahme, dass die Erweiterung des Salienznetzwerks nicht die Ursache für Veränderungen der depressiven Symptome im Zeitverlauf ist, sondern ein stabiler Risikomarker für die Entwicklung einer Depression sein könnte.
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Zur Originalstudie in nature
Lynch, C.J., Elbau, I.G., Ng, T. et al. Frontostriatal salience network expansion in individuals in depression. Nature (2024). https://doi.org/10.1038/s41586-024-07805-2

Das Salienz-Netzwerk – salience network

Das Salienz-Netzwerk – salience network -ist ein großräumiges neuronales Netzwerk des menschlichen Gehirns, das hauptsächlich aus der anterioren Insula und dem dorsalen anterioren cingulären Cortex besteht, und das an der Erkennung und Filterung bedeutsam hervortretender (salienter) Reize sowie an der Rekrutierung relevanter funktioneller Netzwerke beteiligt ist. Zusammen mit den mit ihm verbundenen Hirnarealen trägt das Salienz-Netzwerk durch die Integration sensorischer, emotionaler und kognitiver Informationen zu einer Vielzahl komplexer Funktionen bei, darunter Kommunikation, soziales Verhalten und Selbstwahrnehmung. Dieses Netzwerk ist durch eine unabhängige Komponentenanalyse durch die funktionelle Magnetresonanztomografie im Ruhezustand nachweisbar.
Stangl, W. (2024, 12. September).
https://lexikon.stangl.eu/30236/salienz-netzwerk

2 📌 Adieu Body-Mass-Index

Die New York Times läutet das Ende des immer noch verbreiteten Body-Mass-Index BMI ein.

“Move over, body mass index. Make room for roundness — to be precise, the body roundness index. - It is one of the most widely used health metrics but also one of the most reviled, because it is used to label people overweight, obese or extremely obese.”

“Aufgrund seines BMI wäre Arnold Schwarzenegger, als er noch Bodybuilder war, als fettleibig eingestuft worden und hätte abnehmen müssen“, zitiert das Blatt Dr. Wajahat Mehal, Leiter des Programms für Stoffwechselgesundheit und Gewichtsverlust an der Yale University. „Aber wenn man seine Taille gemessen hat, sieht man: ‚Oh, sie beträgt 81 cm.‘“

Stattdessen sollten andere anthropometrische Indizes zum Zuge kommen, bei denen vor allem durch die Einbeziehung des Taillenumfangs eine abdominale Adipositas genauer beurteilt werden kann, wie z. B. das Taille-Hüft-Verhältnis, das Taille-Größe-Verhältnis und ein Body-Shape-Index. Die AMA (American Medical Association) war bereits 2023 zu dem Ergebnis gekommen, dass der BMI kein geeignetes Mittel zur Messung des Körperfetts ist, da er Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen, Geschlechtern und Altersgruppen nicht berücksichtigt. Ärzte sollten ihre Patient:innen deshalb über die Probleme des BMI und alternative Maßstäbe zur Diagnose von Fettleibigkeit aufzuklären.

Zum Artikel in der NYT

3 📌 Therapie von Atempausen im Schlaf nach einem Herzinfarkt rettet Herzmuskelgewebe

Schlafapnoe, also Atempausen im Schlaf, belasten das Herz durch wiederkehrende Blutdruck- und Herzfrequenzanstiege, was den Sauerstoffverbrauch erhöht. Zugleich kommt es durch die Atempausen zu wiederkehrenden Abfällen des Sauerstoffgehaltes im Blut. Ein Missverhältnis von Sauerstoffbedarf und Sauerstoffangebot ist die Folge. Besonders in der Frühphase nach einem Herzinfarkt kann dies das empfindliche Herzmuskelgewebe belasten und zu einer Ausbreitung des Infarktareals beitragen.

Mediziner des Universitären Herzzentrums Regensburg der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) konnten nun in einer Studie zeigen, dass eine nicht-invasive Behandlung von Patienten mit Schlafapnoe bei akutem Herzinfarkt Herzmuskelgewebe retten und eine Ausbreitung des betroffenen Areals eindämmen kann. In der Patientengruppe, deren Schlafapnoe behandelt wurde, konnte mehr Herzmuskelgewebe erhalten werden und der relative Rückgang der Infarktgröße war nach zwölf Wochen mehr als doppelt so hoch wie in der Gruppe mit unbehandelter Schlafapnoe (44 Prozent versus 21 Prozent).

„Bisher wird die Behandlung der Schlafapnoe in der Frühphase nach Herzinfarkt nicht empfohlen und spielt in der klinischen Routine keine Rolle. Mit unserer Studie konnten wir starke Hinweise liefern, dass eine Behandlung der Schlafapnoe bereits während der Behandlung des Herzinfarktes einen positiven Effekt für die Patienten hat“, so Dr. Michael Arzt, Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin II sowie Leiter des Schlaflabors und Leiter der Studie.

Zur Studie im European Respiratory Jounal (ERS)

4 📌 Shared Decision Making erleichtert Leben nach der OP

Menschen, die vor einer lebensverändernden Operation eine Beratung durch Patientenbetreuer:innen bekommen, sind im Nachhinein zufriedener mit der Operation als ohne eine solche Beratung. Ein weiterer wichtiger Punkt: Wenn Patient:innen sich wünschten, die Therapie selbst mitzuentscheiden, die Ärzte dies aber nicht berücksichtigten, bereuten diese Personen später – also ein Jahr nach der Operation - ihre Entscheidung mehr als die anderen Befragten.

Eine Studie des Instituts für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI) in enger Kooperation mit der Hals-Nasen-Ohrenklinik und Poliklinik (HNO) der Universitätsmedizin Mainz belegt, wie wichtig es ist, die Patient:innen in die Entscheidung für solche weitreichenden Eingriffe eng einzubinden.

Die hohe Bedeutung der Beratung durch Selbsthilfegruppen und von Shared Decision Making ist bisher oft angenommen worden, aber es gibt wenige Studien, die das im Langzeitverlauf untersuchen konnten

resümiert Susanne Singer. Die aktuelle Studie belege nun diese Annahmen.

Für die Ärzt:innen bedeutet das in der Praxis, Patient:innen frühzeitig und umfassend in jegliche Entscheidungsfindung bei einer lebensverändernden Operation einzubeziehen und sie zu ermutigen, dafür auch Hilfe und Beratung durch geschulte Patientenbetreuer:innen der Selbsthilfegruppe in Anspruch zu nehmen.

Die Ergebnisse wurden in JAMA Otolaryngology - Head & Neck Surgery veröffentlicht, einer renommierten Zeitschrift für HNO-Heilkunde.

Zur Orginalstudie

5 📌 Herzbericht

In die kardiovaskuläre Vorsorge muss mehr investiert und das bestehende Instrumentarium der Diagnostik, Therapie und Nachsorge für die Eindämmung der Grund- und Begleiterkrankungen der Herzschwäche muss effizienter genutzt werden - das ist das Fazit bei der Vorlage des aktuellen Herzberichts. Neben Alter und Genetik sind vor allem Risikofaktoren des Lebensstils wesentlich am Entstehen von Herzrhythmusstörungen, KHK, und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen beteiligt.

💡
Der Deutsche Herzbericht – Update 2024 wird von der Deutschen Herzstiftung zusammen mit den wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften für Kardiologie (DGK), für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG), für Kinderkardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK) und für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR) alljährlich herausgegeben. Infos und ePaper: www.herzstiftung.de/herzbericht

💬 Über den Tellerrand

Nurses’ Health Study: Haustiere können Risiko für Angststörungen und Depressionen senken

Haustiere können die Gesundheit ihrer Besitzerinnen und Besitzer positiv beeinflussen. So konnte zum Beispiel das Risiko für Angststörungen und Depressionen von Frauen, die in ihrer Kindheit Missbrauch erlebt haben, mithilfe von tierischen Gefährten gesenkt werden. Aber es kommt es darauf an, welches Tier gehalten wird. Wie sich eine enge Beziehung zu Tieren auswirken kann, haben Wissenschaftler:innen aus den USA, Großbritannien und Österreich anhand der Mind Body Study (MBS) erforscht. Es handelt sich um eine Unterstudie der Nurses’ Health Study II (NHS2), einer longitudinalen Kohortenstudie mit US-amerikanischen Krankenschwestern, die im Jahr 1989 startete. Der Anteil an Frauen mit einer Vorgeschichte körperlicher oder sexueller Misshandlung in der Kindheit war in der MBS überrepräsentiert, um eine Gruppe mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für psychosoziale Belastungen zu erhalten.

Insgesamt 213 Probandinnen (mittleres Alter 61 Jahre) nahmen an der Befragung der Forschenden um Magdalena Żebrowska vom Brigham and Women’s Hospital und der Harvard Medical School, Boston, Massachusetts, teil. 78 der Frauen besaßen Hunde, 46 Katzen, 15 hatten beide Haustiere angegeben und 74 Frauen waren tierlos. Den Tierbesitzerinnen wurden sechs Fragen aus der Lexington Attachment to Pets Scale (LAPS) gestellt. Die LAPS-Fragen beurteilen die Gefühle und Verhaltensweisen der Besitzer gegenüber dem Haustier, z. B. ob sie es als Freund oder Familienmitglied betrachten, mit ihm sprechen oder spielen.

Insgesamt war eine engere Beziehung zu Haustieren mit weniger Depressionen und Angstsymptomen verbunden als bei Frauen ohne Tiere. In einer weiteren Untersuchung konzentrierte sich die Gruppe um Żebrowska nur auf die 156 Frauen, die als Kind missbraucht oder misshandelt worden waren (99 Tierbesitzerinnen, 57 ohne Tiere). Alle Effektstärken für Assoziationen waren höher, wenn die Analysen auf diese Frauen beschränkt wurden. „Eine starke Bindung zu Haustieren, insbesondere Hunden, kann Ängste und Depressionen lindern und so die psychische Gesundheit insbesondere bei gefährdeten Gruppen fördern“, vermuten die Forschenden um Żebrowska. Bei Personen mit einem unsicheren Bindungsstil zu Menschen aufgrund von Missbrauch in der Kindheit könne die Bindung an Haustiere eine besondere Rolle spielen, indem sie den Mangel an sicheren Beziehungen zu Menschen kompensiert und so vor Depressionen und Angstsymptomen schütze.

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Zur Originalstudie

📣 Ankündigungen

1️⃣ „Mer stonn zesamme“

Unter diesem Karnevals-Lied-Motto lädt die neu gegründete Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft für pädiatrische und adoleszente Endokrinologie und Diabetologie zu ihrem ersten Kongress nach Köln ein. Wenn “wir alle zesamme ston werden wir die pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie ein Stück voranbringen und schöne und interessante Tage in Köln verbringen”, so die Tagungsleiterin und MINQ-Spezialistin Dr. Kirsten Mönkemöller.

Der Kongress wird gemeinsam ausgerichtet von der Uniklinik Köln und dem Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße.

Zusammenwachsen sollen auch die Mitglieder der neuen Fachgesellschaft, um die Disziplinen „Diabetologie und Endokrinologie“. Die inhaltlichen Schwerpunkte orientieren sich an den Traditionen der zwei ausrichtenden Kliniken: Der Bereich des Knochenstoffwechsels werde ein wichtiges Thema sein sowie die altersspezifischen und kultursensiblen Herausforderungen in der Behandlung chronisch kranker Kinder und Jugendlicher.

Zu Programm und Anmeldung

📅 Wann: 26. bis 28. September 2024

📍Wo: Gürzenich Köln, Martinstraße 29-37, 50667 Köln

2️⃣ UK Erlangen: CED-Jubiläumsveranstaltung

Welche Fortschritte gibt es in der Therapie und welchen Nutzen hat künstliche Intelligenz bei der Behandlung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED)? Lässt sich der Verlauf der Erkrankungen individuell vorhersagen? Worauf sollten Betroffene bei ihrer Ernährung achten? Antworten auf diese und weitere Fragen bietet das Arzt-Patienten-Seminar „Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen“, das die Medizinische Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie (Direktor: MINQ-Spezialist Prof. Dr. Markus F. Neurath) des Uniklinikums Erlangen und die Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung bereits zum 15. Mal anbieten.

Bei der Programmgestaltung ließen sich die Referent:innen des Uniklinikums Erlangen von den Anregungen ehemaliger Teilnehmender inspirieren. So gibt es dieses Jahr erstmals einen Tandem Talk, bei dem Prof. Dr. André Hörning, Oberarzt der Kinder- und Jugendklinik (Direktor: Prof. Dr. Joachim Wölfle), auf die Besonderheiten bei der Therapie von Jugendlichen eingeht. Dem gegenüber stellt Rachel Rouse-Merkel, Ärztin der Medizin 1, die Besonderheiten bei der Therapie von Älteren. Weitere Themen sind der Umgang mit Fatigue, Entzündungen außerhalb des Darms und chirurgische Behandlungsmaßnahmen.

Das beliebte Arzt-Patienten-Seminar findet erneut im Hybridformat statt. Die Online-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer können im Livestream alle Vorträge und Diskussionen in Echtzeit mitverfolgen und ihre Fragen über die Chatfunktion stellen.

Programm, Anmeldeformular und ausführliche Informationen sind auf der Website der Veranstaltung zu finden

📅 Wann: 21. September 2024, von 9.00 bis 14.00 Uhr

📍Wo: Universitätsklinkum Erlangen, Östliche Stadtmauerstraße 11, 91054 Erlangen oder online (Email-Versand der Zugangsdaten nach Anmeldung)

🤕 IchalsPatient

„Diagnosesicherheit“: WHO-Welttag der Patientensicherheit

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS) ruft seine Mitglieder und alle Akteure des Gesundheitswesens zu Aktionen rund um den Welttag der Patientensicherheit am 17. September 2024 auf ihrer Veranstaltung in Berlin auf. ****Der Welttag der Patientensicherheit – einer der globalen Gesundheitstage der WHO – jährt sich seit 2019 am 17. September. Ziele des Welttags der Patientensicherheit sind, das Öffentliches Bewusstsein und Engagement für Patientensicherheit steigern, globale Solidarität und Aktionen fördern sowie spezifische Patientensicherheitsprobleme ansprechen.

Das APS weist insbesondere auf das Schwerpunktthema „Diagnosesicherheit“ hin. Denn: Insgesamt trage eine sichere Diagnose wesentlich dazu bei, dass Patient:innen die bestmögliche Pflege und Behandlung erhalten, was letztendlich ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden verbessert.

Das Thema soll aus unterschiedlichen Blickwinkeln sowohl mit Fachleuten aus dem Gesundheitsbereich als auch mit betroffenen Patient:innen erörtert werden. Im Mittelpunkt der Referenten und Speaker steht die Frage „Welche Strategien und Reformen sind notwendig, um Patientensicherheit und Diagnosesicherheit nachhaltig zu verbessern?"

Welttag der Patientensicherheit
Internationaler Tag der Patientensicherheit

Zum Video "Gemeinsam für Diagnosesicherheit! Mach dich stark!"

Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos aber nur mit vorheriger Anmeldung möglich, da die Plätze begrenzt sind.

Zu Programm und Anmeldeformular

Live-Stream der Veranstaltung

Neben dem Live-Programm im Hotel Amano wird die Veranstaltung am 17.9.2024 parallel als Online-Stream übertragen.

📍Wo: Hotel AMANO Grand Central, Heidestraße 62, 10557 Berlin

📅 Wann: 17. September 2024, von 10.00 bis 17.00 Uhr


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