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🗞 35/2024

KI-Stimme: ALS-Patient kann wieder sprechen · Unbewusst bei Bewusstsein · Wer buddelt, schläft besser · Neues Kiefergelenk aus Mittelfußknochen - MINQ's Choice: Walter Hauke · Prof. Dr. med. Thorsten Bach · Dr. med. Carl Meißner

Mirjam Bauer Karl-Richard Eberle

📌 5 weekly picks

1 📌 KI-Stimme: ALS-Patient spricht fast fehlerfrei

Neue Hoffnung für Aphasie-Patienten! Neurochirurgen der Universität von Kalifornien in Davis haben ein neues "Brain-Computer-Interface" entwickelt, das Gehirnsignale in Sprache übersetzen kann. Die neue Gehirn-Computer-Schnittstelle (BCI) übersetzt Gehirnsignale mit einer Genauigkeit von bis zu 97 % in Sprache – das genaueste System seiner Art.
ALS-Patient Casey Harrell kann mithilfe dieser Gehirn-Computer-Schnittstelle wieder Sprechen. Das Gerät interpretiert Gehirnsignale, wenn sein Benutzer versucht, zu sprechen und wandelt diese in Text um, der vom Computer vorgelesen werden kann. Die Forscher implantierten hierzu Sensoren in Harrells Gehirn. Dieser leidet aufgrund der ALS-Erkrankung an einer schweren Sprachbehinderung. Der Mann konnte seine beabsichtigte Rede innerhalb von Minuten nach Aktivierung des Systems übermitteln. „Frühere Sprach-BCI-Systeme hatten häufig Wortfehler. Dies machte es für den Benutzer schwierig, einheitlich verstanden zu werden, und stellte ein Hindernis für die Kommunikation dar“, so der verantwortliche Neurochirurg David Michael Brandman, M.D., Ph.D. von der UC Davis Health. „Unser Ziel war es, ein System zu entwickeln, das es jemandem ermöglicht, verstanden zu werden, wann immer er sprechen möchte.“

Weitere Informationen auf den Seiten der UC Davis

Zur Originalstudie im New England Journal of Medicine

2 📌 Koma-Patienten: Unbewusst bei Bewusstsein

Also doch! Eine internationale Studie belegt, dass das Bewusstsein bei nicht reagierenden Patienten Äußeres wahrnehmen kann. Neue Forschungsergebnisse, die gemeinsam mit Expert:innen des Forschungsunternehmens Mass General Brigham durchgeführt wurden, ergaben, dass Gehirnscans bei nicht ansprechbaren Patienten mit Hirnverletzungen das Bewusstsein erkennen können. In der Studie wurden 241 Teilnehmer:innen mit schwerer Hirnverletzung, die auf eine einfache Anweisung nicht reagierten, mit funktioneller MRT, Elektroenzephalographie (EEG) oder beiden Tests untersucht. Während dieser Tests hörten die Teilnehmer Anweisungen wie „Stellen Sie sich vor, Ihre Hand zu öffnen und zu schließen“, gefolgt von 15 bis 30 Sekunden später „Hören Sie auf, sich vorzustellen, Ihre Hand zu öffnen und zu schließen“.

Die fMRT- und EEG-Gehirnreaktionen zeigten, dass 60 (25 Prozent) der Teilnehmer dieser Anweisung über Minuten hinweg wiederholt heimlich folgten. Laut den Autoren der Studie, die vergangene Woche im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, verstehen Patienten, bei denen das Phänomen der kognitiven motorischen Dissoziation auftritt, die Sprache, erinnern sich an Anweisungen und können die Aufmerksamkeit aufrechterhalten, auch wenn sie scheinbar nicht reagieren. Bei diesen Patienten übersteigen die kognitiven Fähigkeiten die motorischen Fähigkeiten und sind daher von diesen getrennt.

„Manche Patienten mit schwerer Hirnverletzung scheinen ihre Außenwelt nicht zu verarbeiten. Wenn sie jedoch mit fortschrittlichen Techniken wie aufgabenbasierter fMRT und EEG beurteilt werden, können wir Gehirnaktivitäten erkennen, die etwas anderes vermuten lassen“, sagte die leitende Studienautorin Yelena Bodien, PhD, Forscherin für die Spaulding-Harvard Traumatic Brain Injury Model Systems und Zentrum für Neurotechnologie und Neurorecovery des Massachusetts General Hospital. „Diese Ergebnisse werfen kritische ethische, klinische und wissenschaftliche Fragen auf – wie können wir beispielsweise diese unsichtbare kognitive Kapazität nutzen, um ein Kommunikationssystem zu etablieren und die weitere Genesung zu fördern?“

Weitere Informationen auf den Seiten der Mass General Brigham

Zur Originalstudie

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Mass General Brigham führt das größte krankenhausbasierte Forschungsprogramm in den Vereinigten Staaten durch und ist die älteste und größte Lehreinrichtung der Harvard Medical School.

3 📌 Wer buddelt, schläft besser

Gartenarbeit kann Spaß machen, aber begünstigt sie auch unseren Schlaf? Ein Forschungsteam aus den USA und China untersuchte erstmals den Zusammenhang zwischen Gärtnern und Schlaf und publizierte hierzu im Fachmagazin “Journal of Affective Disorders”. Dass Gartenarbeit unserer Psyche guttut, weiß man laut Spektrum der Wissenschaft bereits seit einer Metaanalyse von 2017, doch die Wirkung auf den Schlaf wurde bislang nur in kleineren Studien untersucht. In die aktuelle Analyse gingen Daten von rund 62.000 Erwachsenen in den USA ein.
Sechs Prozent der Befragten zählten das Gärtnern zu ihren häufigsten körperlichen Aktivitäten; 67 Prozent der Befragten bewegten sich vorwiegend auf andere Weise, trieben zum Beispiel einen bestimmten Sport, die restlichen waren nach eigenen Angaben wenig körperlich aktiv. Verglichen mit den Inaktiven lag die Wahrscheinlichkeit für Schlafprobleme bei denen, die häufig gärtnerten, um 42 Prozent niedriger – unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildungsniveau und Übergewicht. Die Unterschiede zeigten sich auch in der Schlafdauer. Die Gartenarbeiter kamen pro Nacht im Mittel auf 7,14 Stunden und damit auf 10 bis 15 Minuten mehr als die anderen Gruppen. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung war ebenfalls nachweisbar: Je mehr Zeit die Befragten mit Gartenarbeit verbrachten, desto geringer ihr Risiko, schlecht zu schlafen.

Weiterlesen auf den Seiten von Spektrum.de

4 📌 Gesichtstemperatur für den Gesundheits-Check

Kalte Nase, warme Wangen: Diese Merkmale deuten einer Studie in Cell Metabolism zufolge auf ein höheres biologisches Alter hin. Studienautorin Professor Dr. Jing-Dong Jackie Han und ihr Team analysierten die Gesichtstemperaturen von mehr als 2.800 Teilnehmer:innen im Alter zwischen 21 und 88 Jahren. Anschließend nutzten die Forscher:innen die Informationen, um KI-Modelle zu trainieren. Sie sollten einen Zusammenhang zwischen den Temperaturen auf Nase, Augen und Wangen sowie dem Alter und der Gesundheit ermitteln.
Hans Team stellte fest, dass die Temperatur der Nase mit zunehmendem Alter schneller abnimmt als in anderen Teilen des Gesichts. Umgekehrt schlossen sie darauf, dass Menschen mit einer wärmeren Nase ein geringeres biologisches Alter besaßen. Gleichzeitig steige mit zunehmendem Alter tendenziell die Temperatur um die Augen herum. Das Team fand außerdem heraus, dass Menschen mit Stoffwechselstörungen wie Diabetes und Fettlebererkrankungen eine schnellere „thermische“ Alterung aufwiesen. Sie hatten tendenziell eine höhere Temperatur im Augenbereich als ihre gesunden Altersgenossen. Menschen mit erhöhtem Blutdruck besaßen auch eine höhere Wangentemperatur.

Durchschnittliche Gesichtstemperaturen von drei Altersgruppen bei Frauen im Alter von 50 bis 60 Jahren, Quelle Zhengqing Yu and Jing-Dong J Han

Mehr Informationen auf den Seiten von Aponet

5 📌 Neues Kiefergelenk aus Mittelfußknochen

Eine „Weltpremiere“ meldet das Uniklinikum Salzburg: Bei einer 20-stündigen Operation wurden aus dem Mittelfußknochen einer 16-Jährigen zwei neue Kiefergelenke gebaut.
Vermutlich wegen einer unbehandelten Infektion verknöcherten die Kiefergelenke der heute 16-jährigen Sumayya Dalatmirova aus der abgelegenen Pamir-Region in Tadschikistan. Wegen der Gelenkversteifung konnte das Mädchen ausschließlich flüssig ernährt werden. Nach ihrer ersten OP im Jahr 2018 an der Salzburger Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie konnte das Mädchen zumindest mit einem kleinen Löffel essen. Anfang August gab es einen finalen Eingriff, da das Wachstum bei der 16-Jährigen abgeschlossen ist. Klinikvorstand Alexander Gaggl entschied sich dazu, erstmals statt aus beiden nur aus einem Mittelfußknochen zwei Kiefergelenke zu bauen. Ansonsten hätte die 16-Jährige wochenlang nicht laufen können.

In einer 20-stündigen Operation entfernte das OP-Team unter der Leitung Gaggls den linken Mittelfußknochen des zweiten Zehs, durchtrennte ihn in der Mitte und baute aus den beiden Teilen das linke und rechte Kiefergelenk nach. Nach der Operation bekam die 16-Jährige eine Zahnspange, um den Biss abzusichern. Der fehlende Zeh am linken Fuß werde beim Gehen keine Probleme bereiten.

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📣 Ankündigungen

1️⃣ Kongress: Diversität in der Psychoonkologie

Die Säulen des Handelns zum Wohle der Patient:innen - dies beschreibt das Kongressmotto „Diversität in der Psychoonkologie – in Vielfalt vereint“ der 22. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Psychoonkologie der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). Denn: So vielfältig und einzigartig Patient:innen sind, so mannigfaltig sind Krebserkrankungen und ihre Verläufe. Nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Berufsgruppen innerhalb der Psychoonkologie, aber auch im interdisziplinären Kontext mit vielen Nachbardisziplinen, könne es gelingen, den Fachbereich weiter zu entwickeln und in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.

PD Dr. med. Désirée Louise Dräger und MINQ-Spezialist Prof. Dr. med. Oliver Hakenberg von der Urologischen Klinik und Poliklinik in Rostock führen als Gastgeber durch die PSO-Jahrestagung.

Zu Restrierung und Programmübersicht

📍Wo: Universitätsklinikum Rostock

📅 Wann: 12. bis 14. September 2024

2️⃣ Parkinson - Was ist das?

MINQ-Spezialist Professor Dr. med. Georg Ebersbach, Chefarzt des Neurologischen Fachkrankenhauses für Bewegungsstörungen/Parkinson in Beelitz sowie Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Parkinson-Fachkliniken und der Deutschen Parkinson Gesellschaft bietet eine grundlegende Einführung in die Parkinson-Krankheit. Der langjährige MINQ-Experte spricht über die Bedeutung gut informierter Patienten, die historische Entwicklung der Parkinson-Diagnose und -Behandlung sowie über epidemiologische Daten zur Verbreitung der Krankheit.

📍Wo: Digital, via Zoom (der Link wird nach erfolgter Registrierung zugesandt).

📅 Wann: Montag, den 4. September 2024


🏆 MINQs Choice

Nach mehr als 25 Jahren aktiver Recherche und Erstellung der Ärztelisten, die seit 1997 regelmäßig zuerst in der Zeitschrift FOCUS publiziert wurden und seit 2022 im Magazin stern erscheinen, haben wir uns entschlossen, unter dieser Rubrik - gewissermaßen in eigener Sache - jede Woche auf 3 besondere Mediziner:innen zu verweisen.


Walter Hauke - MINQ-Spezialist seit 2011

Prof. Dr. med. Thorsten Bach - MINQ-Spezialist seit 2015

Dr. med. Carl Meißner - MINQ-Spezialist seit 2018

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