đ 34/2024
Altersforschung · Emotionale Dysregulation durch Tablets · Virtual Reality-Therapie bei Phobien, Depression oder Suchterkrankungen · Diagnose Frau - ĂŒber Medical Gaslighting · Sonderausstellung âLIFE'S JOURNEYâ
đ 5 weekly picks
1 đ Altersforschung: Wir altern vor allem an zwei Punkten im Leben
GewuĂt? Viele der Mikroorganismen in unserem Körper wachsen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren entweder an oder gehen zurĂŒck. Dies zeigt eine neue Studie aus Stanford. Damit verbunden ist ein unkontinuierliches Altern. Die Ergebnisse unterliegen allerdings gewissen EinschrĂ€nkungen.
Die Forscher der kalifornischen Stanford Medicine untersuchten dafĂŒr bei Probanden im Alter von 25 bis 75 Jahren Tausende von MolekĂŒlen â ebenso wie ihre Mikrobiome, also Bakterien, Viren und Pilze, die sich auf und im Körper befinden. Dabei fanden sie heraus, dass viele von ihnen sich nicht auf eine kontinuierliche, schrittartige Weise verĂ€ndern, sondern schubartig. Es zeigten sich zwei Zeitspannen mit besonders vielen VerĂ€nderungen: rund um das 44. und das 60. Lebensjahr.
"Wir verĂ€ndern uns nicht graduell ĂŒber die Zeit hinweg, sondern es gibt dramatische Wechselperioden", so Studienautor Michael Snyder. Diese speziellen VerĂ€nderungen waren bei sehr vielen MolekĂŒlen feststellbar â und wirken sich wahrscheinlich auch auf unsere Gesundheit aus. Bei Patient:innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen beispielsweise wurden in beiden ZeitrĂ€umen gesundheitliche VerĂ€nderungen festgestellt. Bei Erkrankungen des Immunsystems wurde dies hĂ€ufig rund um das 60. Lebensjahr registriert. Auch das Risiko fĂŒr Typ-2-Diabetes erreicht etwa im Alter von 60 Jahren einen kritischen Schwellenwert.
Wie praktisch alle Studien, so unterliegt auch diese gewissen EinschrĂ€nkungen. Diese liegen in der geringen KohortengröĂe (108 Personen, davon acht Personen im Alter zwischen 25 und 40 Jahren). AuĂerdem könnten Ergebnisse "durch den Lebensstil der Teilnehmer beeinflusst sein, d. h. durch körperliche AktivitĂ€t und ihren Alkohol- und Koffeinkonsum", so die Forscher. KĂŒnftige Studien sollten daher detailliertere Verhaltensdaten der Probanden ermitteln.
WeiterfĂŒhrende Informationen bei mdr Wissen
2 đ Emotionale Dysregulation: Tablets machen Kinder aggressiv
Ob im Restaurant, im Einkaufswagen oder im Kinderwagen â hĂ€ufig sitzen Kinder und starren gebannt auf ein Tablet oder Smartphone. Doch was als Beruhigung wirken soll, könnte eher zum Gegenteil fĂŒhren: HĂ€ufige Tablet-Ablenkung im Vorschulalter schĂŒrt spĂ€tere WutausbrĂŒche - so eine neue Studie.
Schon seit LĂ€ngerem wird die Nutzung digitaler GerĂ€te mit einer emotionalen Dysregulation bei Kindern in Verbindung gebracht. Gemeint ist damit die mangelnde FĂ€higkeit, eigene Emotionen zu regulieren. Studien, die diesen Zusammenhang klar aufzeigen, gab es bisher jedoch wenige. Kanadische Wissenschaftler der UniversitĂ© de Sherbrooke verglichen die Bildschirmzeit von 315 Kindern mit den Emotionen, die diese Kinder im Alltag zeigten. Dazu sollten die Eltern angeben, wie viel Zeit die Kinder im Alter von dreieinhalb, viereinhalb und fĂŒnfeinhalb Jahren vor mobilen GerĂ€ten verbrachten. Das Verhalten der Kinder wurde mit einem Verhaltensfragebogen erfasst. Die Forscher stellten fest, dass Kinder, die bereits mit dreieinhalb Jahren Tablets nutzen, ein Jahr spĂ€ter deutlich mehr Wut- und FrustrationsanfĂ€lle hatten. Diese nahmen um 22 Prozent zu. Die WutanfĂ€lle der Kinder mit viereinhalb Jahren waren zudem mit einer höheren Tabletnutzung mit fĂŒnfeinhalb Jahren verbunden. Die Untersuchungen fanden allerdings wĂ€hrend der Corona-Pandemie statt, als Bildschirme hĂ€ufig als "Babysitterâ eingesetzt wurden. Auch wurde nicht die QualitĂ€t der Medieninhalte berĂŒcksichtigt. Also ob sich die Kinder beispielsweise ein Buch oder ein YouTube-Video auf dem Tablet ansahen.
Weitere Infos zur empfohlenen Bildschirmzeit sowie zur Studie
Zur Original-Publikation Early-Childhood Tablet Use and Outbursts of Anger in JAMA Pediatrics
3 đ Die Top 3 Emoji-Gesichter der Deutschen und die Flops
Haben wir einen Sinn fĂŒr Humor? Ja - laut einer Studie von Forscher:innen der Ruhr-UniversitĂ€t Bochum und der Berliner CharitĂ©. Die Wissenschaftler:innen untersuchten Millionen deutschsprachige Tweets und WhatsApp-Nachrichten und kamen zu dem Ergebnis: Deutsche lachen gerne â zumindest im Chat.
Um herauszufinden, welche Smileys die Deutschen am meisten benutzen, analysierten sie insgesamt 280 Millionen Tweets und WhatsApp-Nachrichten aus dem Jahr 2022. Dabei kamen sie zu folgendem Ergebnis.
- Platz 1: das TrÀnen lachende Gesicht
- Platz 2: das lachende Gesicht
- Platz 3: der Zwinkersmiley
Die am wenigsten beliebten Smileys haben die Forscher in ihrer Pressemitteilung ebenfalls aufgezĂ€hlt. Am seltensten nutzen Deutsche das sogenannte âGesicht in den Wolkenâ und das âGesicht mit der gepunkteten Linieâ. Dabei muss allerdings erwĂ€hnt werden, dass diese beiden Smileys erst 2021 eingefĂŒhrt wurden und zum Zeitpunkt der Studie erst ein Jahr im Umlauf waren.
Ăbrigens fanden die Forscher heraus, dass die Bedeutung der Emojis zwar im Unicode definiert werde, ihre Verwendung und Interpretation aber in der Praxis stark von den dort aufgefĂŒhrten Bedeutungen abweiche.
Zur Pressemeldung der Ruhr-Uni- Bochum
Zur Original-Studie Affective, semantic, frequency, and descriptive norms for 107 face emojis
4 đ Phobien, Depression oder Suchterkrankungen: Uniklinik therapiert mithilfe von Virtual Reality
Viele Menschen haben vor irgendetwas Angst: vor Spinnen, MĂ€usen, vor der Höhe, vor dunklen Ecken, etc. Bei psychisch Erkrankten sind manche Phobien besonders stark ausgeprĂ€gt. Um derartige Ăngste abzubauen, aber auch um Menschen mit Depressionen oder Suchterkrankungen zu unterstĂŒtzen, setzt das Bezirkskrankenhaus Augsburg nun Virtual Reality (VR) ein: âDamit sind wir die erste psychiatrische UniversitĂ€tsklinik in Bayern, die dies stationĂ€r bei schwersterkrankten Patienten anbietetâ, so der Lehrstuhlinhaber und Ărztliche Direktor Prof. Dr. Alkomiet Hasan.
Wie kompliziert ein Therapieversuch sein kann, verdeutlicht Ergotherapeut Bernhard BĂ€uerle an einem Beispiel. Ein Patient hat massive Angst vor einer StraĂenbahn- oder Busfahrt. Die Enge, die vielen Menschen und die Sorge, nicht mehr rauszukommen, verunsichern ihn zutiefst. Die Umsetzung der notwendigen Konfrontationstherapie ist oft schwierig, wenn sich Patient:innen die Konfrontation in der realen Umgebung noch nicht zutrauen. Die VR-gestĂŒtzte Therapie mit entsprechender Software und Brille soll weiterhelfen. Je nach Krankheit wird ein bestimmtes Programm eingespielt. Der Patient befindet sich in einem eigens dafĂŒr eingerichteten Raum und hat die VR-Brille auf. In der virtuellen Welt soll er eine Aufgabe lösen. Das Therapeutenteam leitet ihn an und gibt ihm Hilfestellung. âWir können hier ganz konkrete Situationen anwenden und jederzeit steuernd eingreifenâ, so die stellvertretende Leitende Psychotherapeutin Isabella Mehling. Das Anwendungsspektrum umfasse ein breites Spektrum psychiatrischer Diagnosen.
Weiteres auf den Seiten des Bezirkskrankenhaus Augsburg
Wie die Virtual-Reality-Therapie die psychische Gesundheit beeinflusst, beschreibt auch ein Artikel von Mike May in nature medicine, der verschiedene Simulationen beschreibt.
5 đ Diagnose Frau - ĂŒber Medical Gaslighting und den Gender Health Gap
Christina Pingel hat als junge Frau Herzprobleme, wird von Ărzten aber nicht ernst genommen â bis es fast zu spĂ€t ist. Jahrelang kĂ€mpfte die 38-JĂ€hrige mit Herzproblemen, doch ihre Ărzte schoben die Symptome auf eine psychische Erkrankung. Nach zehn Jahren braucht sie eine Herzoperation, weil zu lange zugeschaut wurde. Was wie eine tragische Verkettung aus Versehen und Unachtsamkeit klingt, ist leider kein Einzelfall.
Das Ignorieren und Herunterspielen von Ăngsten durch Mediziner:innen, auch als Medical Gaslighting bekannt, kommt hĂ€ufig vor. Vor allem Frauen leiden darunter, im Gesundheitssystem nicht ernst genommen zu werden. Das kann an Vorurteilen liegen, aber auch daran, dass Medizin sich jahrzehntelang an den BedĂŒrfnissen von MĂ€nnern orientiert hat. Frauen weisen bei vielen Erkrankungen andere Symptome auf als MĂ€nner und reagieren oft anders auf Behandlungen und Medikamente. Um den Gender Health Gap, also das geschlechtsbasierte Ungleichgewicht in der Medizin, zu bekĂ€mpfen, hat Pingel ihre persönliche Geschichte niedergeschrieben. Ihr Buch Diagnose: Frau. Wie mich die mĂ€nnerbasierte Medizin fast das Leben kostete (⏠17,50 /256 Seiten. Piper, MĂŒnchen 2024) ist ein PlĂ€doyer dafĂŒr, dass Gesundheit keine Frage des Geschlechts sein darf. Mehr zu ihrem Buch und die BeweggrĂŒnde erlĂ€utert die Hamburgerin in einem interview mit dem Standard
đŹ Ăber den Tellerrand
1ïžâŁ Erste Schule ersetzt Lehrer durch ChatGPT
Nicht nur bei uns herrscht ein akuter Lehrermangel! Eine Sekundarschule in London ersetzt nun teilweise ihre Lehrer durch KI-Tools. 20 SchĂŒler im Alter von 15 Jahren werden ab September rund ein Jahr lang ChatGPT und andere KI-Tools nutzen, bevor sie ihre AbschlussprĂŒfungen ablegen. Das, obwohl Bildungsexperten immer wieder vor KI als nicht adĂ€quater Lehrerersatz warnen.
In London soll die KI die PĂ€dagogen nicht ersetzen, sondern als Nachhilfelehrer fĂŒr die SchĂŒler:innen des David Game College dienen. Wer Schwierigkeiten hat, mit dem Lernstoff Schritt zu halten, wird in FĂ€chern wie Englisch, Mathematik und Chemie unterstĂŒtzt. Gleichzeitig sollen besonders Begabte ebenfalls von der KI profitieren.
ZusĂ€tzlich zu den KI-Lehrern werden den SchĂŒlern auch drei Vollzeit-Lerncoaches zur Seite gestellt. Der stellvertretende Schulleiter glaubt, dass die Coaches durch den Einsatz der KI-Tools mehr Zeit haben werden, den SchĂŒlern beim Lernen zu helfen. Ăhnliche Argumente werden von Unternehmen verwendet, die Mitarbeiter:innen durch KI ersetzen. Wie gut KI echte Lehrer ersetzen kann, bleibt generell fraglich.
Mehr Infos hierzu auf den Seiten von Futurezone
2ïžâŁ Warum bist Du so, wie Du bist? Sonderausstellung âLIFE'S JOURNEYâ
Wie werden Medikamente hergestellt? Warum entstehen Krankheiten? Wie sieht die Gesundheitsversorgung der Zukunft aus? Der Novartis Pavillon ist ein neuer Ausstellungsort in Basel, der sich mit den grossen Fragen rund um das Gesundheitswesen befasst â ein Ort, an dem jede und jeder etwas ĂŒber die Faszination der Medizin lernen, sich einbringen und davon inspirieren lassen kann.
Aktuell geht es um die DNA als Gebrauchsanweisung des Lebens - ein Geheimcode, der alle genetischen Informationen enthĂ€lt, die jedes Lebewesen einzigartig machen. Warum bist Du so, wie Du bist? Entdecke, wie Du dank der DNA zum Lebewesen wirst. Hierzu lĂ€dt der Novartis Pavillon zu einem besonderen, interaktiven DNA Erlebnis ein. In der Ausstellung LIFE'S JOURNEY â Ein interaktives DNA Erlebnis können Besucher die menschliche Genomik spielerisch und interaktiv kennenlernen.
đWo: Novartis Campus, St. Johanns-Hafen-Weg 5, 4056 Basel, Schweiz
đ Wann: 13. August - 22. September 2024, die Ausstellung ist Dienstags bis Sonntags von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet, der Eintritt ist kostenfrei
đ€ IchalsPatient
đ§ Hörtipp: ErnĂ€hrung(smythen) und Krebs
Eine ausgewogene ErnĂ€hrung kann nicht nur vorbeugend gegen bestimmte Krebserkrankungen wirken, sondern auch wĂ€hrend einer Krebstherapie eine wichtige Stellschraube fĂŒr den Therapieerfolg sein. Aber welche konkreten ErnĂ€hrungstipps gibt es fĂŒr Krebspatient:innen? Wie wirken sich fortschreitender Gewichtsverlust und Muskelabbau auf die TherapievertrĂ€glichkeit und die LebensqualitĂ€t aus?
Diese und weitere Fragen beantworten Prof. Dr. YurdagĂŒl Zopf, OberĂ€rztin der Medizinischen Klinik 1 â Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie und Leiterin des Hector-Center fĂŒr ErnĂ€hrung, Bewegung und Sport des Uniklinikums Erlangen, und PD Dr. Claudia Löffler, OberĂ€rztin der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Uniklinikums WĂŒrzburg und Leiterin der KomplementĂ€ren Onkologie Integrativ des Comprehensive Cancer Centers Mainfranken, in der neuen Podcast-Folge âKrebsforschung im GesprĂ€châ.
đWo: Auf allen gĂ€ngigen Audio-Streaming-Plattformen wie Spotify und Apple Podcast sowie auf der Website des CCC WERA
Prof. Zopf und Dr. Löffler sprechen mit der Moderatorin Anne Kollikowski ĂŒber die Auswirkungen von MangelernĂ€hrung auf die Krebstherapie und wie sich mit einfachen Tipps die eigene ErnĂ€hrung verbessern lĂ€sst. Zudem rĂ€umen die Expertinnen mit ErnĂ€hrungsmythen auf und stellen aktuelle Studienergebnisse und gemeinsame Forschungsprojekte vor.
đ MINQs Choice
Nach mehr als 25 Jahren aktiver Recherche und Erstellung der Ărztelisten, die seit 1997 regelmĂ€Ăig zuerst in der Zeitschrift FOCUS publiziert wurden und seit 2022 im Magazin stern erscheinen, haben wir uns entschlossen, unter dieser Rubrik - gewissermaĂen in eigener Sache - jede Woche auf 3 besondere Mediziner:innen zu verweisen.
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