Foto der Woche Kristaps Ungurs

🗞 28/2024

Jodmangel wegen Pflanzenkost · Anonyme Spurensicherung nach sexuellen Übergriffen · Nach Entlassung: Patienten oft sich selbst überlassen · Wearable-Clinic Basel mit Ferndiagnostik · MINQs Choice: Prof. Dr. med. Marcus Schmidt · Prof. Dr. med. Waldemar Uhl · Prof. Dr. med. Claus Nolte-Ernsting

Mirjam Bauer Karl-Richard Eberle

📌 5 weekly picks

1 📌 WHO: Jodmangel nimmt in Europa zu

Die zunehmende Umstellung der Bevölkerung auf pflanzliche Kost hat eine überraschende Auswirkung, auf die jetzt die Weltgesundheitsorganisation WHO Europa und das Iodine Global Network (IGN) aufmerksam macht: es droht ein akuter Jodmangel. Milch und Molkereiprodukte sind in vielen west- und mitteleuropäischen Ländern eine wichtige Jodquelle, vor allem für Kinder. Viele Futtermittel und Nahrungsergänzungsmittel werden mit Jod angereichert, um die Gesundheit von Nutztieren und die Milchleistung zu verbessern. Doch der Verzehr von Molkereiprodukten ist bei Jugendlichen und Erwachsenen rückläufig, was für sie die Gefahr eines Jodmangels erhöht.

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„Die Umstellung auf pflanzliche Alternativen für Molkereiprodukte, insbesondere bei Frauen, die ohnehin ein höheres Risiko für Jodmangel und Schilddrüsenerkrankungen tragen als Männer, ist für ihre Jodversorgung bedenklich, vor allem in Ländern, die auf Milch als Jodquelle angewiesen sind, da die meisten Milchalternativen kein Jod enthalten“, erklärte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa.

Die Jodzufuhr ist besonders wichtig für die Entwicklung des fötalen Gehirns vor und während der Schwangerschaft. Neben dem sichtbaren Zeichen, dem Kropf, einem Knoten oder einer Schwellung im vorderen Bereich des Halses, die durch eine geschwollene Schilddrüse verursacht wird, erhöht Jodmangel auch die Häufigkeit von vermeidbaren Schilddrüsenerkrankungen wie Schilddrüsenknoten, multinodulären Strumen und Hyperthyreose, insbesondere bei Erwachsenen und älteren Menschen. Eine unbehandelte Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) erhöht das Risiko von Herzrhythmusstörungen, Herzversagen, Osteoporose, ungünstigen Schwangerschaftsverläufen und kognitiven Beeinträchtigungen bei älteren Menschen.

Zur Meldung der WHO

2 📌 Anonyme Spurensicherung: unbürokratische Hilfe versprochen

Wenn es zu sexuellen Übergriffen kommt, ist schnelle und unbürokratische Hilfe für die Betroffenen besonders wichtig. Eine Anlaufstelle für Anonyme Spurensicherung, die jetzt in der Paracelsus-Klinik Marl, Akademisches Lehrkrankenhaus der Ruhr-Universität Bochum eingerichtet wurde, soll diese Hilfe leisten. „Die Betroffenen sollten sich möglichst frühzeitig, wenige Stunden nach dem Vorfall, in der Paracelsus-Klinik Marl einfinden. Auf das Wechseln von Kleidung, das Duschen oder sogar das Händewaschen sollten sie verzichten, um möglichst wenig Spuren zu vernichten. An der Information im Eingangsbereich nennen sie das Stichwort „ASS“ oder „Anonyme Spurensicherung“, erläutert Christina Seifert, Gleichstellungsbeauftragte des Klinikums Vest, die das Projekt in Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle Gewaltschutz für Frauen und Mädchen Recklinghausen umgesetzt hat. Das Krankenhausteam ist entsprechend informiert und vermittelt die Betroffenen umgehend - kommentarlos und anonym - an die Frauenklinik. Dort ist das Spurensicherungs-Kit hinterlegt, mit dem der Abstrich vorgenommen wird. „Ein wesentlicher Vorteil der Anonymen Spurensicherung ist, dass den Betroffenen nach der Spurensicherung Zeit bleibt, das Trauma zu verarbeiten“, sagt Christina Seifert. Die Spuren werden anonym aufgenommen und zehn Jahre lang als gerichtsverwertbare Dokumentation in der kooperierenden Universitätsklinik Düsseldorf gesichert. So lange haben die Betroffenen Zeit, sich für oder gegen eine Anzeige zu entscheiden.

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Anlaufstelle für die Anonyme Spurensicherung:
Paracelsus-Klinik
Marl Lipper Weg 11,
45770 Marl
Tel. 02365/ 90-0

Zur Originalmeldung

3 📌 Große Mängel beim Entlassmanagement in Deutschland

Beim wichtigen Thema Entlassmanagement gibt es in Deutschland großen Nachholbedarf. Das hat eine Studie der Uni Siegen und des Mannheimer Zentrums für europäische Sozialforschung herausgearbeitet, die die Situation in Deutschland mit Schweden, den Niederlanden und der Schweiz verglichen hat. „In Deutschland ist es in erster Linie Aufgabe der Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen, notwendige Pflegeleistungen nach einem Krankenhausaufenthalt zu organisieren“, erklärt der Siegener Gesundheitssoziologe und Leiter der Studie, Prof. Dr. Claus Wendt. Die einzige Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung sei das Entlass-Management der Krankenhäuser, und das ist so oft unzureichend.

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In keinem der drei Vergleichsländer sind Patientinnen und ihre Familien so sehr auf sich gestellt, wie in Deutschland, zeigt die aktuelle Studie. So gibt es beispielsweise in den Niederlanden und in Schweden ein klares Hausarzt-System: Jede/r ist dort in die Liste eines Hausarztes oder einer Hausärztin eingetragen. Die Ärztinnen sind für die Einweisung ins Krankenhaus zuständig – und werden informiert, sobald die Entlassung ansteht. Als Primärversorger seien die Hausärzt*innen dann automatisch in die Organisation der notwendigen Pflegeleistungen eingebunden und übernehmen die Koordination mit dem Krankenhaus, berichtet Wendt: „In Deutschland denken wir so gar nicht. Bei uns sind der ambulante und der stationäre Sektor strikt voneinander getrennt."

Auf die Missstände macht auch ein Beitrag des SWR aufmerksam: “Die Organisation von Entlassungen aus Krankenhäusern funktioniert oft nicht im Sinne der Patienten: Sie kommen teils nach Hause, ohne dass ihre Betreuung dort sichergestellt ist, ohne dass der Hausarzt informiert wurde oder ein Entlassgespräch stattfand. Oder die Patienten müssten mangels häuslicher Betreuung länger im Krankenhaus bleiben als nötig.”

Am Ende sind die Patient:innen oft sich selbst überlassen; im besten Falle können Angehörige sich kümmern, eine Anschlußbehandlung oder Kurzzeitpflege zu organisieren. Im Sinne der fürsorglichen Zuwendung ist das nicht.

Zur Studie

Zum SWR Bericht

4 📌 Spitzen-Tumorzentrum in Freiburg

In Freiburg wird für Krebspatient:innen Medizin auf Spitzenniveau angeboten. Das Tumorzentrum Freiburg – CCCF am Universitätsklinikum Freiburg wurde von der Deutschen Krebshilfe erneut als „Onkologisches Spitzenzentrum“ bestätigt. Damit gehört das CCCF zu den Einrichtungen in Deutschland, die bereits zum fünften Mal als führendes Krebszentrum anerkannt wurden.

37 verschiedene Kliniken, Institute und Einrichtungen des Universitätsklinikums Freiburg arbeiten am Tumorzentrum zusammen. Regelmäßig stattfindende Tumorboards sind das Herzstück des Zentrums. Hier arbeiten Ärztinnen und Wissenschaftlerinnen eng zusammen, um die bestmögliche Diagnostik und Therapieplanung zu finden. Die Tumorboards sind auch für zuweisende Ärzt*innen ein wichtiger Anlaufpunkt. Insgesamt gibt es am Tumorzentrum Freiburg 28 verschiedene Tumorboards für die verschiedenen Krebsarten.

„Wir bieten unseren Krebspatient*innen eine individuelle und interdisziplinäre Behandlung mit den neuesten Therapiekonzepten. Durch Studien können sie direkt von neuen Diagnose- und Behandlungsansätzen profitieren“, erklärt der langjährige MINQ-Spezialist Prof. Dr. Stefan Fichtner-Feigl, Direktor und Sprecher des Tumorzentrums Freiburg – CCCF am Universitätsklinikum Freiburg. „Mit dem 45-jährigen Bestehen des Tumorzentrums stehen wir für kontinuierlich höchste Qualität in der Krebsdiagnostik und -therapie.“

5 📌 Wearable-Clinic Basel - Ferndiagnose mit Smartwatch

Das Basler Universitätsspital bietet - auch für deutsche Patient:innen - mit der http://wearableclinic.ch/ einen interessanten online-Service an: Wer möchte, kann die Daten seiner Smartwatch zum Herzrhythmus auf der Homepage des Basler Unispitals hochladen. Herzspezialisten überprüfen dort diese Daten sorgfältig. Patrick Badertscher, Leiter der digitalen Klinik für Herzrhythmusstörungen, garantiert einen schriftlichen Befund samt Empfehlungen innerhalb eines Tages.

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“Automatisierte Algorithmen und Cloudbasierte künstliche Intelligenz sind eine wertvolle Ergänzung zur Kanalisierung und Minderung der durch Wearables erzeugten Datenflut sollten jedoch stets kritisch hinterfragt werden. Die Diagnose muss zwingend durch geschultes und fachkundiges Personal erfolgen, welches über die nötige Expertise verfügt.”

Die Analyse der Daten inklusive Empfehlungen kostet 20 Schweizer Franken. Dafür fallen die Suche nach Arztterminen und die langen Wartezeiten in der Arztpraxis weg.

Patrick Badertscher hat sich am Basler Spital auf “Digital Health in der Diagnostik von Herzrhythmusstörungen” spezialisiert. “Am USB haben wir die «Wearable Clinic» ins Leben gerufen. Auf wearableclinic.ch bieten wir einen Service an, der Nutzerinnen und Nutzer von Werables ermöglicht ihre EKG Daten von persönlichen Geräten als PDF hochzuladen und von einem Herzrhythmusspezialisten des USB begutachten zu lassen.”

Zur Wearableclinic

💬 Über unseren Tellerrand

Am 18. Juli ist Welt-Zuhör-Tag (engl. World Listening Day). Der World Listening Day wurde von der Non-Profit-Organisation The World Listening Project (WLP) und der Midwest Society for Acoustic Ecology (MSAE) ins Leben gerufen.

Was es damit auf sich hat:

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"The World Listening Day celebrates the art of actively listening to the sounds of the environment. It aims to raise awareness about the significance of listening as a cultural practice and promotes sonic stewardship of the environment. Through various events and initiatives, it encourages individuals worldwide to engage with and reflect upon the soundscape around them.
World Listening Day – July 18th – A global community event

weitere links zum Thema


🏆 MINQs Choice

Nach mehr als 25 Jahren aktiver Recherche und Erstellung der Ärztelisten, die seit 1997 regelmäßig zuerst in der Zeitschrift FOCUS publiziert wurden und seit 2022 im Magazin stern erscheinen, haben wir uns entschlossen, unter dieser Rubrik - gewissermaßen in eigener Sache - jede Woche auf 3 besondere Mediziner:innen zu verweisen.


Prof. Dr. med. Claus Nolte-Ernsting - MINQ-Spezialist 2024
Prof. Dr. med. Marcus Schmidt - MINQ-Spezialist seit 2010

Prof. Dr. med. Waldemar Uhl - MINQ-Spezialist seit 2010

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