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🗞 19/2024

Parkinson: Bessere Prognostik dank KI · Fehlernährung ist eine Ursache für Kardio-Todesfälle · Neuentdeckter Rezeptor steuert Essverhalten · Deep-Learning revolutioniert MRT · Orang-Utan heilt sich selbst

Karl-Richard Eberle
Karl-Richard Eberle

1 📌 Parkinson: Um bis zu sieben Jahre frühere Erkennung möglich dank KI

Parkinson ist nicht nur die zweithäufigste, sondern auch die am schnellsten wachsende neurodegenerative Erkrankung weltweit. In Deutschland sind rund 400.000 Menschen betroffen. Die meisten erkranken ab Ende 50 oder in ihren Sechzigern, aber es gibt auch weit jüngere Patient:innen. Parkinson kann bisher noch nicht ursächlich, aber sehr gut symptomatisch behandelt werden. Von spannenden Ergebnissen in der Forschung konnte Prof. Joseph Claßen, erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) und Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Leipzig, anlässlich des DPG-Kongresses 2024 in Rostock berichten.

So können KI-Systeme Bewegungs-, Sprach- und Atemmuster erkennen und frühzeitige Prognosen ermöglichen. Eine Studie aus Großbritannien habe beispielsweise gezeigt, dass am Handgelenk getragene Bewegungssensoren bis zu sieben Jahre vor der klinischen Diagnosestellung auf eine beginnende Parkinson-Erkrankung hinweisen können. Auch die KI-gestützte Analyse gesprochener Sprache könnte die Früherkennung verbessern: In einer amerikanischen Studie wurde untersucht, ob Patient:innen mit einem höheren Schweregrad sprachlicher und akustischer Auffälligkeiten ein höheres Risiko haben, eine neurodegenerative Erkrankung zu entwickeln. Die automatisierte Sprachanalyse könnte bei Patient:innen mit isolierter REMSchlafverhaltensstörung, einem Frühsymptom der Parkinson-Krankheit, Hinweise darauf geben, welcher Verlauf zu erwarten ist. Außerdem können KI-unterstützte Apps am nächtlichen Atemmuster einer Person erkennen, ob eine Parkinson-Erkrankung vorliegt und, wenn ja, mit welchem Schweregrad.

Zur Aufzeichnung der Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) : https://parkinson-gesellschaft.de/images/video/DPG_PK_2024.mp4

2 📌 Studie beweist: Fehlernährung ist eine der wesentlichen Ursache für kardiovaskulär bedingte Todesfälle

Laut einer Studie der Friedrich-Schiller-Universität Jena sind rund ein Drittel der Todesfälle bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Europa mit einer Fehlernährung assoziiert. In der Studie wurde die Bedeutung der Ernährung für kardiovaskulär bedingte Todesfälle im Zeitraum zwischen 1990 bis 2019 analysiert. Ihre Ergebnisse wurden jetzt im European Journal of Preventive Cardiology veröffentlicht.

Die Studie zeigt, welche Ernährungsfaktoren den größten Einfluss auf die vorzeitigen Todesfälle hatten. „Es sind leider immer wieder die gleichen Lebensmittel, von denen wir entweder zu wenig oder zu viel essen“, so Theresa Pörschmann, die Erstautorin der Studie und Doktorandin am Lehrstuhl für Biochemie und Physiologie der Ernährung der Universität Jena. Insbesondere gehören zu den negativen Einflussfaktoren der Verzehr von zu wenig Vollkornprodukten und zu wenig Hülsenfrüchten, gefolgt von einer Ernährung mit zu viel Salz und zu viel rotem Fleisch. Die aktuellen Ergebnisse verdeutlichten das große präventive Potenzial einer ausgewogenen Ernährungsweise für die Herzgesundheit.

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Originalpublikation:
Pörschmann T, Meier T, Lorkowski S. Cardiovascular mortality attributable to dietary risk factors in 54 countries in the WHO European Region from 1990 to 2019: an updated systematic analysis of the Global Burden of Disease Study. European Journal of Preventive Cardiology 2024.
https://dx.doi.org/10.1093/eurjpc/zwae136

3 📌 Wie das Essverhaltens durch Rezeptor im Gehirn gesteuert wird

Genetische Faktoren spielen bei der Entstehung von Übergewicht und Adipositas eine Rolle. Jetzt haben Wissenschaftler:innen der Universität Leipzig und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf einen Regulator für das Essverhalten identifiziert, der bisher in dieser Funktion nicht wahrgenommen wurde.Vielmehr war der neu identifizierte Rezeptor Latrophilin-1 bisher für Funktionen im Gehirn wie die Ausbildung und den Aufbau von Synapsen bekannt, jedoch nicht für die Steuerung der Nahrungsaufnahme. Die Teams um Dr. Thor von der Universität Leipzig und Prof. Dr. Simone Prömel von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf konnten zeigen, dass der Rezeptor sowohl in den Hirnregionen, die das Essverhalten steuern, als auch im Fettgewebe präsent ist.

Im Experiment zeigten Mäuse, denen dieser Rezeptor fehlte, eine erhöhte Nahrungsaufnahme und eine verringerte körperliche Aktivität. Obwohl die Jungtiere zunächst Normalgewicht aufwiesen, entwickeln sie im Laufe weiterer vier Monate ein signifikantes Übergewicht. Dabei entstanden die bekannten Begleiterkrankungen der Adipositas wie etwa eine Fettleber und ein Diabetes mellitus. Eine Variante des Rezeptors konnte auch bei einer übergewichtigen Patientin festgestellt werden. Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass der Rezeptor nicht nur im Tiermodell, sondern auch beim Menschen für die Entwicklung einer Adipositas von Bedeutung sein könnte.

Zur Pressemeldung der Universität Leipzig

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Zur Originalpublikation:
Signal Transduction and Targeted Therapy: Dysfunction of the adhesion G protein-coupled receptor latrophilin 1 (ADGRL1/LPHN1) increases the risk of obesity
https://doi.org/10.1038/s41392-024-01810-7

4 📌 Deep-Learning revolutioniert MRT

Forschende der Universitätsmedizin Mainz haben im Rahmen einer Studie erstmals eine KI-gestützte Magnetresonanz-Tomographie (MRT)-Methode untersucht, um akute ischämische Schlaganfälle effizienter detektieren zu können. Dabei setzten sie einen sog. Deep Learning-Algorithmus für die Bildrekonstruktion ein. Im Vergleich zur konventionellen MRT konnten die MRT-Bilder viermal schneller rekonstruiert werden. Zudem erzielte die KI-gestützte MRT eine höhere Bildqualität, so dass auch leichte Schlaganfälle zuverlässiger erkannt werden konnten. Die neue Methode hat großes Potential, die Notfalldiagnostik zu beschleunigen, um Patient:innen mit Schlaganfall-Verdacht schneller behandeln zu können.

Zur Pressemitteilung der Universitätsmedizin Mainz

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Zur Originalpublikation
S. Altmann, N. F. Grauhan, L. Brockstedt, M. Kondova, I. Schmidtmann, R. Paul, B. Clifford, T. Feiweier, Z. Hosseini, T. Uphaus, S. Groppa, M. A. Brockmann, A. E. Othman. Ultrafast brain MRI with deep learning reconstruction for suspected acute ischemic stroke. Radiology 2024; 310(2):e231938.
https://doi.org/10.1148/radiol.231938

5 📌 Dringende Empfehlung für gynäkologische Krebsfrüherkennung bei jungen Frauen ab 20

Der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) macht auf die wirkungsvollen Möglichkeiten aufmerksam, die Risiken für eine Erkrankung an Gebärmutterhalskrebs zu senken. Frauen haben geschlechtsspezifisch andere Krebsrisiken als Männer. Ihr Risiko für Krebserkrankungen, die durch Humane Papillomviren (HPV) ausgelöst werden, ist deutlich höher als bei Männern. HP-Viren sind die Hauptauslöser von Gebärmutterhalskrebs, einer häufigen Krebserkrankung. In Deutschland kommt es laut Robert Koch-Institut (RKI) jährlich zu etwa 4.600 neuen Erkrankungen und es versterben ca. 1.500 bis 1.600 Frauen daran.

„Für Frauen ist schon ab einem Alter von 20 Jahren die regelmäßige Teilnahme an der gynäkologischen Krebsfrüherkennung angeraten – dabei geht es insbesondere um die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs. Diese Empfehlung gilt bis ins hohe Alter, denn durch die Untersuchung lassen sich Vorstufen von Krebs oder frühe Krebsstadien frühzeitig erkennen und dadurch besser behandeln“, erklärt Dr. Cornelia Hösemann vom Vorstand des Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF). Die Früherkennung von Krebserkrankungen bezieht sich neben Gebärmutterhalskrebs auch auf die Früherkennung von Krebserkrankungen des äußeren und inneren Genitals, sowie ab dem 30. Geburtstag der Brust. Frauen können und sollten diese Untersuchung jährlich für sich in Anspruch nehmen.

💬 Über unseren Tellerrand

Sumatra-Orang-Utan behandelt seine Gesichtswunde selbst mit einer biologisch aktiven Pflanze

Forschende des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie, Konstanz und der Universitas Nasional, Indonesien, haben einen männlichen Sumatra Orang-Utan beobachtet, der eine Gesichtswunde erlitten hatte. Er aß und trug wiederholt mehrere Minuten lang den Pflanzensaft einer Kletterpflanze mit nachgewiesenen entzündungshemmenden und schmerzlindernden Eigenschaften auf die offene Wunde auf. Die Pflanze wird auch in der traditionellen Medizin verwendet. Zum Schluss bedeckte er die gesamte Wunde mit dem zerkauten Pflanzenbrei.

Es ist der erste wissenschaftliche Bericht darüber, dass ein Wildtier eine Wunde mit einer Pflanze mit bekannten medizinischen Eigenschaften heilt. Die Ergebnisse wurden diese Woche in Scientific Reports veröffentlicht. „Es zeigt, dass Orang-Utans und Menschen Wissen teilen. Da sie im selben Lebensraum leben, würde ich sagen, dass das ziemlich offensichtlich, aber dennoch faszinierend ist“, sagt Caroline Schuppli, Primatologin am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz, Deutschland, und Mitautorin der Studie.

Wild orangutan actively treats wound with a healing plant
We observed a wild male Sumatran orangutan (Pongo abelii) applying chewed leaves from Akar Kuning (Fibraurea tinctoria) — a climbing plant used in traditiona…

Zur Pressemeldung des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie Konstanz

📣 Ankündigungen

1️⃣  Tag gegen den Schlaganfall am 10. Mai

Zum Tag gegen den Schlaganfall am 10. Mai rückt die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe die Angehörigen in den Blickpunkt. Denn sie brauchen unmittelbar Hilfe im Umgang mit dem Geschehen. „Ein Schlaganfall trifft nie einen Menschen allein“. Viel zu selten werde die Mitbetroffenheit der Angehörigen, ihre hohe Belastung, aber auch ihre große Leistung thematisiert. Ein Schlaganfall ist nach Angaben der Stiftung die häufigste Ursache für Behinderungen im Erwachsenenalter. Auch ein Jahr nach dem Schlaganfall sind rund 60 Prozent der Betroffenen auf Unterstützung angewiesen. Als Betroffene, Partner oder nahe Angehörige leben in Deutschland rund 5 Millionen Menschen mit den Folgen eines Schlaganfalls.

Hilfreiche Informationen für Angehörige bietet eine Broschüre mit Anlaufstellen und Telefonnummern: www.schlaganfall-hilfe.de

2️⃣ Größter deutschsprachiger Brustkongress in Dresden

Der 43. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie e.V. (DGS) findet vom 6. bis 8. Juni 2024 im Internationalen Congress Center in Dresden statt.

Informationen zum Kongress

Zum Programm


🏆 MINQs Choice

Nach mehr als 25 Jahren aktiver Recherche und Erstellung der Ärztelisten, die seit 1997 regelmäßig zuerst in der Zeitschrift FOCUS publiziert wurden und seit 2022 im Magazin stern erscheinen, haben wir uns entschlossen, unter dieser Rubrik - gewissermaßen in eigener Sache - jede Woche auf 3 besondere Mediziner:innen zu verweisen.

Dr. med. dent. Jochen Tunkel - MINQ-Spezialist seit 2010

Prof. Dr. med. Anca-Ligia Grosu - MINQ-Spezialistin seit 2007

Dr. Christoph Hoberg - MINQ-Spezialist seit 2019

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