đ 15/2024
Beethovens Gene und der Takt · KĂŒnstliche Muskeln und Knochenwachstum · Sensor erkennt Bakterien · KI im Schockraum · Tod durch Intervallfasten?
đ 5 weekly picks
1 đ Beethovens Taktsynchronisation war nicht in seinen Genen veranlagt
Inwieweit werden auĂergewöhnliche Leistungen von genetischen Faktoren beeinflusst? Diese Frage aus den AnfĂ€ngen der Humangenetik scheint heute leichter zu beantworten, denn moderne molekulare Methoden ermöglichen DNA-Analysen einzelner Personen auch noch nach Jahrhunderten. Doch wie verlĂ€sslich sind die Antworten? Vor diesem Hintergrund hat ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Max-Planck-Institute fĂŒr empirische Ăsthetik (MPIEA) in Frankfurt am Main und fĂŒr Psycholinguistik (MPI-PL) in Nijmegen, Niederlande, die DNA Ludwig van Beethovens hinsichtlich seiner genetischen musikalischen Veranlagung analysiert. Ergebnis: Der Ausnahmekomponist Ludwig van Beethoven hatte keine besondere Veranlagung zum Takt. Das haben die Forscher herausgefunden - und weisen auf die begrenzte Aussagekraft von Gen-Analysen hin.
SWR2-Moderatorin Christine Langer erörtert im GesprĂ€ch mit der Verhaltensgenetikerin Dr. Miriam Mosing vom Max-Planck-Institut fĂŒr empirische Ăsthetik (MPIEA)

Weitere Informationen zur Studie, bei der u.a. DNA-Sequenzen aus HaarstrÀhnen des Komponisten untersucht wurden, auf den Seiten des Max-Planck-Instituts.
2 đ KĂŒnstliche Muskeln lassen KnochenbrĂŒche besser heilen
Knochen sind stabil und elastisch zugleich, sie wachsen und sind stĂ€ndig im Umbau. Brechen sie, können sie heilen, sofern die BruchstĂŒcke richtig aneinander liegen. Aber manchmal klappt das nicht wie geplant und der Knochen wĂ€chst trotz Operation nicht richtig zusammen. Vor allem bei Unterschenkelfrakturen kommt dies öfter vor â bei etwa vierzehn von hundert Patienten. Weil Ărzt:innen nach der OP nicht ins Bein blicken und dem Knochen beim Heilen zuschauen können, bleibt lange unbemerkt, was sich dort anbahnt. Erst nach Wochen zeigt dann ein Röntgenbild, ob neues Knochengewebe an der richtigen Stelle macht, was es soll. Tut es das nicht, folgen Schmerzen, ArbeitsunfĂ€higkeit und hohe Kosten.
FĂŒr einen permanenten Einblick ins Bein soll jetzt ein neues Implantat sorgen: Es soll den Heilungsverlauf ununterbrochen beobachten, kontrollieren und sogar gezielt aktiv fördern. Hieran arbeitet an der UniversitĂ€t des Saarlandes ein groĂes Forschungsteam an der Schnittstelle von Medizin, Ingenieurwissenschaft und Informatik zusammen. âWir entwickeln gemeinsam ein smartes Implantat, das ohne zusĂ€tzliche Eingriffe oder Apparaturen auskommt. Hierzu verleihen wir dem Implantat, das ohnehin gebraucht wird, um die KnochenstĂŒcke zusammenzuhalten, völlig neue FĂ€higkeitenâ, erklĂ€rt Professor Dr. Ing. Stefan Seelecke, der mit seinem Team vom Lehrstuhl fĂŒr intelligente Materialsysteme an der Uni Saarland und am SaarbrĂŒcker Zentrum fĂŒr Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) forscht.
Das Implantat soll, sobald die OP-Wunde vernĂ€ht ist, die Implantat-Platte selbst unablĂ€ssig informieren, wie der Bruch heilt. Belasten Patientin oder Patient den Bruch ungĂŒnstig, soll sie warnen. Am Frakturspalt, wo die Knochenbruchteile aneinander liegen, soll das Implantat nach Bedarf steif oder weich werden und â das ist der besondere Clou â es soll durch kleine Bewegungen dort eine Mikro-Massage vollfĂŒhren: Dies fördert die Knochenheilung aktiv durch Wachstumsanreize. All dies soll automatisch ablaufen und von auĂen via Smartphone steuerbar sein. In das Implantat flieĂt das Knowhow verschiedenster Fachdisziplinen.
Den Prototyp zeigen die Forscher:innen auf der Hannover Messe (22. bis 26. April, Halle 2 Stand B10).
Die Werner Siemens-Stiftung fördert das Projekt âSmarte Implantateâ mit acht Millionen Euro. Die Gesamtprojektleitung liegt in der Unfallchirurgie am UniversitĂ€tsklinikum des Saarlandes bei MINQ-Spezialist Professor Dr. Tim Pohlemann und am Lehrstuhl fĂŒr Innovative Implantatentwicklung (Frakturheilung) bei Professorin Dr. Bergita Ganse (sie hat die gleichnamige Werner Siemens-Stiftungsprofessur inne).
3 đ Neuer Sensor erkennt gefĂ€hrliche Bakterien
Bakterielle Infektionen fordern jedes Jahr weltweit mehrere Millionen Menschenleben. Der Nachweis schĂ€dlicher Mikroorganismen ist daher sehr wichtig â nicht nur in der Krankheitsdiagnostik, sondern auch bei der Herstellung von Lebensmitteln. Die bislang verfĂŒgbaren Verfahren sind jedoch zeitaufwĂ€ndig, erfordern teure GerĂ€te oder lassen sich nur von Fachleuten durchfĂŒhren. AuĂerdem können sie hĂ€ufig nicht zwischen aktiven Bakterien und deren Zerfallsprodukten unterscheiden. Forschende der Goethe-UniversitĂ€t Frankfurt und der Christian-Albrechts-UniversitĂ€t zu Kiel haben einen neuartigen Bakterien-Sensor entwickelt, der gefĂ€hrliche Bakterien identifizieren kann. Er basiert auf einem Chip mit einer innovativen OberflĂ€chen-Beschichtung. Sie sorgt dafĂŒr, dass nur ganz spezifische Mikroorganismen an dem Sensor kleben bleiben â beispielsweise bestimmte Krankheitserreger. Je gröĂer ihre Anzahl, desto stĂ€rker das elektrische Signal, das der Chip erzeugt. Der Sensor kann gefĂ€hrliche Bakterien also nicht nur mit hoher Empfindlichkeit nachweisen, sondern auch ihre Konzentration bestimmen.
Die Veröffentlichung ist zunÀchst ein Nachweis, dass die Methode funktioniert. In einem nÀchsten Schritt wollen die beteiligten Arbeitsgruppen untersuchen, ob sie sich auch in der Praxis bewÀhrt. Es ist beispielsweise denkbar, sie in Regionen einzusetzen, in denen keine KrankenhÀuser mit aufwÀndiger Labordiagnostik existieren.
Weitere Informationen auf den Seiten der Goethe-UniversitÀt Frankfurt
4 đ Genesung durch Raumklima und LuftqualitĂ€t?
Forscher:innen untersuchen nun, welchen Einfluss Hitzestress und LuftqualitĂ€t auf die Gesundheit der Patient:innen haben. Auch die Auswirkungen von Lage, Ausstattung und Zustand der GebĂ€ude, Raumaufteilung der Zimmer sowie ArbeitsablĂ€ufe auf die Gesundung werden im Rahmen von âEnOB: EnHance â Energieeffiziente KrankenhausrĂ€umlichkeiten: Mit minimalem Energieeinsatz ein gesundes Raumklima und hygienische RaumluftqualitĂ€tâ evaluiert. Zum Einsatz kommt dabei ein neuartiges Sensornetzwerk, das unter anderem Parameter der LuftqualitĂ€t misst. Neben der TU Berlin als Verbundkoordinatorin sind an dem Projekt Wissenschaftler:innen der CharitĂ© sowie der Technischen UniversitĂ€t Braunschweig beteiligt. Es wird vom Bundesministerium fĂŒr Wirtschaft und Energie (BMWK) mit knapp 1 Million Euro ĂŒber drei Jahre gefördert. Ziel ist die Erarbeitung von energie- und kosteneffizienten Musterlösungen fĂŒr Bau, Renovierung und Betrieb von KrankenhausgebĂ€uden.
Verschiedene Stationen in unterschiedlichen GebĂ€uden der CharitĂ© sollen in das Forschungsprojekt einbezogen werden. âWir werden so ĂŒber die drei Jahre gerechnet die anonymisierten Daten von mehreren Tausend Patient:innen auswerten könnenâ, sagt Prof. Dr. Christine Geffers, Direktorin des Instituts fĂŒr Hygiene und Umweltmedizin der CharitĂ©. In die Auswertung einbezogen werden zum Beispiel Ergebnisse aus Blutuntersuchungen wie Elektrolytwerte und HĂ€matokrit-Konzentrationen. âDie Konzentration dieses festen Bestandteils des Blutes steigt, wenn das FlĂŒssigkeitsvolumen zurĂŒckgeht. HĂ€matokrit ist also ein Marker fĂŒr FlĂŒssigkeitsverluste, zum Beispiel durch starkes Schwitzenâ, erklĂ€rt Geffers. Auch die Abnahme von Elektrolyt-Konzentrationen deute auf Salzverlust durch Schwitzen hin. âDurch diese Parameter bekommen wir also objektive Informationen, ob Patient:innen gegebenenfalls unter Hitzestress gelitten habenâ, so Geffers. Zudem solle es anonymisierte Informationen ĂŒber Infektionen und Behandlungsdauer geben. Die Gesundheitsdaten und Sensordaten werden statistisch miteinander verknĂŒpft.
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt auf den Seiten der TU Berlin
5 đ KI im Schockraum
Hochkomplexe Prozesse durchfĂŒhren, zeitkritische FĂ€lle behandeln und gleichzeitig umfangreiche Informationsmengen verwalten â all dies stellt eine erhebliche Belastung fĂŒr das Krankenhauspersonal dar. Das Fraunhofer-Institut fĂŒr Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS hat hierzu ein Entlastungskonzept entworfen. Welche Möglichkeiten sich durch die KI-Prototypen »TraumAgent« und »FormAssistant« fĂŒr den medizinischen Bereich ergeben, wird im Whitepaper »KĂŒnstliche Intelligenz im Schockraum: Wie Agenten und Foundation-Modelle bei der Versorgung Schwerverletzter helfen« erlĂ€utert. Entwickelt wurden beide Anwendungen im Zuge des Projekts »TraumAInterfaces«. In diesem widmen sich Wissenschaftler:innen des Fraunhofer-Instituts fĂŒr Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern der UniversitĂ€t Witten/Herdecke, dem UniversitĂ€tsklinikum Aachen sowie dem Klinikum Köln-Merheim der Frage, wie Foundation Models und Large Language Models (LLMs) bei der Versorgung Schwerverletzter im Schockraum bestmöglich helfen und den Informationsaustausch optimieren können.
Die Programme âTraumAgentâ und âFormAssistantâ sollen die Informationserfassung und -dokumentation erleichtern, indem KI wichtige Informationen der GesprĂ€che in der Notaufnahme ĂŒber Mikrofone automatisch erfasst, auswertet und weiterverarbeitet. Denn viele entscheidende Informationen werden im Notfall in hohem Tempo ĂŒber gesprochene Sprache kommuniziert. Der âTraumAgentâ wandelt die SĂ€tze in ĂŒbersichtliche Darstellungen um â ersichtlich per Live-Anzeige. Der âInfo Screenâ zeigt Behandlungsinformationen im Schockraum an. Diese werden vom KI-Sprach-Agenten aus den Transkripten selbststĂ€ndig extrahiert und dargestellt.
Zum Whitepaper KI im Schockraum
đŹ Ăber unseren Tellerrand
Herz-Kreislauf-Tod durch Intervallfasten?
Intervallfasten gilt als bewĂ€hrtes Konzept, um gesund abzunehmen und seinem Körper einen gesunden Zucker- und Fettstoffwechsel zu bescheren. Durch den tĂ€glichen mit der Stoffwechselpause angestoĂenen Reinigungsprozess soll sogar das Lebensalter erhöht werden. Forschende kommen jetzt zu einem gegenteiligen Ergebnis. Intervallfasten soll laut einer aktuellen Studie aus Shanghai dem Körper nicht nur schaden, sondern das Sterberisiko sogar um 91 Prozent erhöhen. Die Ergebnisse der Studie wurden vorab im Rahmen einer PosterprĂ€sentation auf der Konferenz EPI|Lifestyle Scientific Sessions 2024 vorgestellt. Die Daten basieren auf Essgewohnheiten von 20.000 US-Amerikaner:innen.
Die Ergebnisse der Untersuchung sind kontrĂ€r zu bislang veröffentlichten Studien. Sie zeigen: Personen, die tĂ€glich innerhalb eines Zeitfensters von acht Stunden nicht oder wenig essen, haben ein 91 Prozent gesteigertes Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben. Das gilt leicht abgeschwĂ€cht auch fĂŒr Menschen, bei denen bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen und auch Krebs diagnostiziert wurde. FĂŒr Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die lediglich in einem Zeitraum von zehn Stunden am Tag essen, liegt der Studie zufolge das Risiko zu sterben um 66 Prozent höher. Besonders bei Krebspatient:innen belegen die Ergebnisse eher das Gegenteil vom bisher Angenommenen. Verteilen Krebspatienten ihre Nahrungsaufnahme auf mehr als 16 Stunden am Tag, sinkt der Studie zufolge sogar das Risiko, an Krebs zu sterben.
Die komplette Studie befindet sich noch im Peer-Review-Begutachtungsverfahren und soll demnĂ€chst veröffentlicht werden. Viele Wissenschaftler bezweifeln allerdings den Aussagewert: "Ich schĂ€tze epidemiologische Studien in diesem Kontext als absolut unzuverlĂ€ssig einâ, so Professor Andreas Michalsen, Chefarzt fĂŒr innere Medizin am Immanuel Krankenhaus Berlin. Eine Fallzahl von 31 kardiovaskulĂ€ren TodesfĂ€llen sei nicht geeignet, um Werte von 91 Prozent abzuleiten. Zudem gebe es keine Grundlagenstudien, die auf diesen Effekt hinweisen. Möglicherweise ist das ein willkommener Anlass, weitere Studien zu dem Thema zu initiieren
Weitere Informationen auf den Seiten des MDR
đŁ AnkĂŒndigungen
1ïžâŁ Wissen gegen Krebs am 20.04.2024
Der langjĂ€hrige MINQ-Spezialist Prof. Dr. med. Volker Heinemann und Prof. Dr. med. Hana AlgĂŒl, Direktor des CCC MĂŒnchen Klinikum rechts der Isar der TUM laden zum Patiententag in die LMU. Das Tumorzentrum MĂŒnchen und das Patientenhaus des Comprehensive Cancer Center MĂŒnchen (CCC MĂŒnchen) veranstalten in Kooperation mit der Bayerischen Krebsgesellschaft e.V. und lebensmut e.V. diesen 12. Patiententag, der die Themen ErnĂ€hrung, KomplementĂ€rmedizin, Psychoonkologie, psychosoziale Aspekte, Bewegung und Selbsthilfe beleuchtet. Um den Informationen Taten folgen zu lassen, finden am Nachmittag im Patientenhaus des CCC MĂŒnchen Workshops statt, die Themen des Vormittags aufgreifen und Einblicke in weitere unterstĂŒtzende Angebote liefern.
Die Anmeldung (bis 19.04.2024) zu der kostenfreien Veranstaltung kann per E-Mail (TZMuenchen@med.uni-muenchen.de), telefonisch (Tel: 089-44005 -2238) oder postalisch mit Anmeldeformular erfolgen. Zum Programm und den Referenten
2ïžâŁ Die kranke Prostata: EntzĂŒndung, VergröĂerung, oder Krebs? Welche ist die beste Therapie?
Prostataerkrankungen zĂ€hlen zu den hĂ€ufigsten gesundheitlichen Problemen des Mannes in der zweiten LebenshĂ€lfte: Ab 40 Jahren steigt das Risiko einer Erkrankung an, fast jeder zweite Mann ist mindestens einmal im Leben betroffen. Unter der Leitung von Chefarzt Dr. Oliver Engel behandelt das Team der Urologie im Asklepios Klinikum Harburg mehr als 3.000 Patient:innen jĂ€hrlich, mit ĂŒber 200 Eingriffen an der Prostata. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Therapiemöglichkeiten â wann welche in Frage kommt, darĂŒber informieren die Expert:innen am 6. Mai 2024 (18:30-20:00 Uhr) im GesprĂ€ch mit Betroffenen und Angehörigen.
Die Veranstaltung findet statt in Haus 1 â Medienzentrum, Asklepios Klinikum Harburg, Anmeldungen werden ĂŒber die Stationsleitung Gerald Siemen unter ge.siemen@asklepios.com angenommen.
đ MINQs Choice
Nach mehr als 25 Jahren aktiver Recherche und Erstellung der Ărztelisten, die seit 1997 regelmĂ€Ăig zuerst in der Zeitschrift FOCUS publiziert wurden und seit 2022 im Magazin stern erscheinen, haben wir uns entschlossen, unter dieser Rubrik - gewissermaĂen in eigener Sache - jede Woche auf 3 besondere Mediziner:innen zu verweisen.



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