🗞 9/2025
Schlüssel zur Komplexität von Gehirn, Klima und KI · Große Sprachmodelle verarbeiten Daten wie menschliche Gehirne · Pandemie der Kurzsichtigkeit · Übergewicht fängt im Gehirn an · Warum es sich lohnt, das Gehör vor Lärm zu schützen · Künstliche Intelligenz hilft zu verstehen, was Tiere fühlen?
📌 5 weekly picks
1 📌 Revolutionäre Studie enthüllt: “Topologie” könnte Schlüssel sein zur Komplexität von Gehirn, Klima und KI
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professor Ginestra Bianconi von der Queen Mary University of London hat in Nature Physics eine bahnbrechende Studie veröffentlicht, die zeigt, wie die Topologie – ein Zweig der Mathematik, der sich mit den Eigenschaften von Räumen befasst, die unter stetigen Verformungen erhalten bleiben – eine fundamentale Rolle bei der Entstehung und dem Verhalten komplexer Systeme spielt. Die Wissenschaftler führten topologische Analysen an Daten aus so unterschiedlichen Bereichen wie dem Gehirn, dem Klimasystem und Künstlicher Intelligenz (KI) durch. Dabei entdeckten sie, dass in all diesen Systemen „höher-dimensionale topologische Dynamiken“ vorherrschen. Diese Dynamiken beschreiben, wie sich die topologische Struktur der Systeme im Laufe der Zeit verändert und wie diese Veränderungen mit der emergenten Komplexität der Systeme zusammenhängen.
Konkret fanden die Forscher heraus, dass die topologische Struktur des Gehirns während kognitiver Prozesse dynamische Veränderungen zeigt, die mit der Verarbeitung von Informationen und der Entstehung von Bewusstsein korrelieren. Im Klimasystem konnten sie topologische Muster identifizieren, die mit der Entstehung von Wetterphänomenen und langfristigen Klimaveränderungen verbunden sind. Auch in KI-Netzwerken beobachteten sie, dass die topologische Struktur sich während des Lernprozesses verändert und dass diese Veränderungen wiederum die Leistungsfähigkeit der KI beeinflussen. Die Studie eröffnet einen völlig neuen Blickwinkel auf das Verständnis komplexer Systeme und legt nahe, dass die Topologie eine universelle Sprache ist, um die zugrundeliegenden Prinzipien von Komplexität in Natur, Technologie und sogar im abstrakten Raum der Mathematik zu beschreiben. Die Forscher sind optimistisch, dass ihre Erkenntnisse zu neuen Durchbrüchen in verschiedenen Disziplinen führen werden, von der Entwicklung neuartiger KI-Architekturen über die Vorhersage von Klimaveränderungen bis hin zum besseren Verständnis der Funktionsweise des Gehirns.
Ana P. Millán, Hanlin Sun, Lorenzo Giambagli, Riccardo Muolo, Timoteo Carletti, Joaquín J. Torres, Filippo Radicchi, Jürgen Kurths, Ginestra Bianconi. Topology shapes dynamics of higher-order networks. Nature Physics, 2025; DOI: 10.1038/s41567-024-02757-w
2 📌 Große Sprachmodelle verarbeiten Daten so allgemein wie menschliche Gehirne
Forschende des Massachusetts Institute of Technology MIT haben eine überraschende Ähnlichkeit in der Art und Weise entdeckt, wie große Sprachmodelle (LLMs) und das menschliche Gehirn vielfältige Datentypen verarbeiten. Die Studie zeigt, dass LLMs, ähnlich wie unser Gehirn, in der Lage sind, unterschiedliche Arten von Informationen – wie Text, Audio, Bilder usw. – auf eine allgemeine Weise zu verarbeiten. Das Team fand heraus, dass LLMs verschiedene Dateneingaben in einem zentralen "Hub" integrieren, der Daten eingabe-typen-agnostisch verarbeitet. Das bedeutet, dass das Modell nicht für jede Dateneingabeart separate Verarbeitungspfade verwendet, sondern eine einheitliche Verarbeitungsstrategie anwendet, unabhängig davon, ob es sich um Text in verschiedenen Sprachen, Audioeingaben oder Bilder handelt. Diese Erkenntnis widerspricht der bisherigen Annahme, dass LLMs hauptsächlich als reine Textverarbeitungssysteme fungieren. Die Studie deutet darauf hin, dass LLMs über eine grundlegendere Fähigkeit zur abstrakten Datenverarbeitung verfügen, die der menschlichen Kognition ähnelt. Die Wissenschaftler nutzten verschiedene neurowissenschaftliche und KI-basierte Analysemethoden, um die Verarbeitungsprozesse in LLMs und im Gehirn zu vergleichen. Die Ergebnisse legen nahe, dass die in LLMs implementierten Architekturen und Lernalgorithmen möglicherweise grundlegende Prinzipien der Informationsverarbeitung im Gehirn widerspiegeln. Zukünftige Forschungsarbeiten sollen sich nun darauf konzentrieren, die neuronale Repräsentationen und Verarbeitungsprozesse in LLMs und Gehirnen noch detaillierter zu untersuchen und die Grenzen und Möglichkeiten dieser überraschenden Analogie weiter auszuloten.
Zhaofeng Wu, Xinyan Velocity Yu, Dani Yogatama, Jiasen Lu, Yoon Kim. The Semantic Hub Hypothesis: Language Models Share Semantic Representations Across Languages and Modalities. Submitted to arXiv, 2025
https://doi.org/10.48550/arXiv.2411.04986

Weiterführender Artikel zum Thema von MIT-News:
3 📌 Pandemie der Kurzsichtigkeit?
Es mag nicht auffallen, aber die Anzahl der Brillenträger steigt stetig. Das liegt daran, dass mittlerweile rund ein Drittel der Weltbevölkerung kurzsichtig ist. Bis 2050 könnte nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sogar bereits jeder Zweite betroffen sein.
Der Effekt der „Screen-Zeit“ ist „dosisabhängig“, hat jetzt ein südkoreanisch-irisches Wissenschaftlerteam herausgefunden.
Die Augenspezialistin Ahnul Ha (Jeju Universitätsklinik/Südkorea) und ihre Co-Autoren haben die Ergebnisse ihrer Analyse von 45 entsprechenden wissenschaftlichen Studien in JAMA Network Open veröffentlicht. Die Studie zeigt, dass die Prävalenz der Myopie weltweit zunimmt und bis 2050 fast die Hälfte der Weltbevölkerung betroffen sein wird. Die Forschenden aus Südkorea haben einen Dosis-Wirkungseffekt der Bildschirmzeit nachgewiesen. Die Analyse von 45 Studien mit 335.524 Personen ergab, dass jede zusätzliche Stunde vor einem Bildschirm das Risiko einer Myopie erhöht. Besonders betroffen sind Kinder im Alter von 2 bis 7 Jahren. Die Ergebnisse zeigen, dass mehr als eine Stunde Bildschirmzeit pro Tag die Wahrscheinlichkeit für Kurzsichtigkeit signifikant erhöht.
Digital Screen Time and MyopiaA Systematic Review and Dose-Response Meta-Analysis Ahnul Ha, MD1,2; Yun Jeong Lee, MD3; Marvin Lee, MD4; et alSung Ryul Shim, PhD5; Young Kook Kim, PhD6,7,8
Author Affiliations Article Information
JAMA Netw Open. 2025;8(2):e2460026. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.60026
4 📌 Studienbeweis: Übergewicht fängt im Gehirn an
Eine neue Studie des Universitätsklinikums Tübingen, Helmholtz Munich und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) zeigt, dass das Gehirn eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Adipositas spielt. Bereits eine kurzzeitige Einnahme von hochverarbeiteten, ungesunden Lebensmitteln kann zu einer gravierenden Veränderung im Gehirn führen und als Ausgangspunkt von Adipositas und Typ-2-Diabetes gelten. Die Insulinempfindlichkeit des Gehirns nimmt ab, was zu einer falschen Regulierung des Essverhaltens führt. Diese Erkenntnisse verdeutlichen, dass das Gehirn an kurzfristige Änderungen der Ernährung angepasst wird, bevor eine Gewichtszunahme eintritt, und dass die Forschung in diesem Bereich verstärkt werden muss.
Weiterlesen auf den Seiten des UK Tübingen
A short-term, high-caloric diet has prolonged effects on brain insulin action in men. Stephanie Kullmann, Lore Wagner, Robert Hauffe, Anne Kühnel, Leontine Sandforth, Ralf Veit, Corinna Dannecker, Jürgen Machann, Andreas Fritsche, Nobert Stefan, Hubert Preissl, Nils B. Kroemer, Martin Heni, André Kleinridders & Andreas L. Birkenfeld
https://doi.org/10.1038/s42255-025-01226-9
5 📌 Die Dosis macht das Gift: Warum es sich lohnt, das Gehör vor Lärm zu schützen
„Wir haben das alle schon einmal erlebt: Man geht in ein lautes Konzert, kommt raus und hört alles ein bisschen gedämpft oder hat vorübergehende Ohrgeräusche. Andere Situation: In der S-Bahn sitzt ein Mann mit Kopfhörern. Alle Umsitzenden hören mühelos mit. Das ist dann mit hoher Wahrscheinlichkeit zu laut“, so Prof. Dr. Thomas Klenzner, Leiter des Hörzentrums an der Uniklinik Düsseldorf. Er erklärt: „Die Dosis macht das Gift.“ Entscheidend sei, wie lange das Gehör welcher Lautstärke ausgesetzt ist.
Der Experte warnt zum Welttag des Hörens am 3. März vor den schädlichen Auswirkungen von Lärm auf das Hörvermögen. Er betont, dass laute Geräusche Stresssituationen im Innenohr auslösen können, die zu dauerhaften Schäden führen. Er empfiehlt, sich des Lärms bewusst zu werden und bei Bedarf Ohrstöpsel zu verwenden. Er hebt hervor, dass Schwerhörigkeit durch verschiedene Faktoren verursacht werden kann, darunter berufliche Lärmbelastung und Umweltgifte, und betont die Bedeutung frühzeitiger ärztlicher Untersuchungen zur Verbesserung der Lebensqualität.
💬 Über unseren Tellerrand
1️⃣ Kann künstliche Intelligenz uns helfen zu verstehen, was Tiere fühlen?
Eine Studie legt nahe, dass die Antwort ja lautet. Forscher vom Institut für Biologie der Universität Kopenhagen haben erfolgreich ein maschinelles Lernmodell darauf trainiert, zwischen positiven und negativen Emotionen bei sieben verschiedenen Huftierarten, darunter Kühen, Schweinen und Wildschweinen, zu unterscheiden. Durch die Analyse der akustischen Muster ihrer Lautäußerungen erreichte das Modell eine beeindruckende Genauigkeit von über 89 %.
„Dieser Durchbruch liefert solide Beweise dafür, dass KI Emotionen bei mehreren Arten anhand von Stimmmustern entschlüsseln kann. Sie hat das Potenzial, den Tierschutz, die Viehhaltung und den Artenschutz zu revolutionieren, da sie es uns ermöglicht, die Emotionen von Tieren in Echtzeit zu überwachen“, sagt Élodie F. Briefer, außerordentliche Professorin am Institut für Biologie und Letztautorin der Studie.
Romain A. Lefèvre, Ciara CR Sypherd, Élodie F. Briefer. Machine learning algorithms can predict emotional valence across ungulate vocalizations .
DOI: 10.1016/j.isci.2025.111834
2️⃣ Digital Detox - Warum eine Social Media-Pause guttut
Das Smartphone begleitet uns permanent durch den Alltag – das kann der Psyche schaden. Eine aktuelle Studie im Fachmagazin PNAS zeigt: Wer sein Handy für zwei Wochen vom Internet trennt, fühlt sich ausgeglichener, erlebt mehr positive Emotionen und kann sich besser konzentrieren. Unter der Leitung des Verhaltenswissenschaftlers Noah Castelo von der University of Alberta wurde untersucht, wie sich eine digitale Pause auf die mentale Gesundheit auswirkt. Während der Detox-Phase verbrachten die Teilnehmer mehr Zeit mit Hobbys, Freunden und in der Natur, was positive Effekte auf ihre Lebenszufriedenheit und psychischen Beschwerden hatte. Dazu installierten 504 Probanden eine App, die den Internetzugang ihres Smartphones blockierte. Die eine Hälfte konnte ihr Handy zunächst normal nutzen, bevor es für zwei Wochen offline ging. Bei der anderen Gruppe wurde das Internet sofort gesperrt, bevor sie es wieder uneingeschränkt verwenden durften. Trotz der positiven Effekte fiel es den meisten schwer, die zwei Wochen durchzuhalten. Digital Detox wird immer populärer, da immer mehr Menschen die negativen Auswirkungen exzessiver Internetnutzung erkennen.
Mehr Informationen auf den Seiten des Handelsblatts
Blocking mobile internet on smartphones improves sustained attention, mental health, and subjective well-being Noah Castelo, Kostadin Kushlev, Adrian F Ward, Michael Esterman, Peter B Reiner
PNAS Nexus, Volume 4, Issue 2, February 2025, pgaf017, https://doi.org/10.1093/pnasnexus/pgaf017
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1️⃣ “Rauschtrinken” geht seit Jahren kontinuierlich zurück
Die Zahl der Menschen, die wegen Alkoholmissbrauchs stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen, geht in Deutschland weiter zurück. Im Jahr 2023 wurden rund 62 300 Patientinnen und Patienten wegen akuter Alkoholvergiftung stationär in einer Klinik behandelt. Das waren 46,5 % weniger als zehn Jahre zuvor, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. 2013 kamen noch 116 500 Menschen mit einer solchen Diagnose in ein Krankenhaus. Damit sind die Fallzahlen das siebte Jahr in Folge gesunken und erreichten 2023 den niedrigsten Stand seit dem Jahr 2001.
Die Daten weisen Unterschiede zwischen Frauen und Männern aus. Im Jahr 2023 mussten rund 42 900 Jungen und Männer wegen Alkoholmissbrauchs ins Krankenhaus, das waren 68,8 % aller Fälle. Dabei liegt der Männeranteil in nahezu allen Altersgruppen deutlich über dem Anteil der Frauen. Einzige Ausnahme sind die 10- bis 14-Jährigen, wo der Anteil der Jungen lediglich 34,3 % beträgt. In der Altersgruppe der 40- bis 44-Jährigen ist der Geschlechterunterschied mit einem Männeranteil von 73,9 % am stärksten ausgeprägt.
Quelle: deStatis
📣 Ankündigungen
1️⃣ Kunstaktion zum Aktionstag mit Tina Reichel
Zum Welttag des Hörens werden am kommenden Donnerstag im Foyer des Zentrums für Operative Medizin II der Uniklinik Düsseldorf, Skulpturen der Künstlerin Tina Reichel ausgestellt. Die Werke sind im Rahmen einer vom Lions-Club Düsseldorf begleiteten Kunstaktion mit Patient:innen des Hörzentrums der Uniklinik entstanden. Die Eröffnung findet im Beisein der Künstlerin und der Ärztlichen Direktorin und Vorstandsvorsitzenden des UKD, Prof. Dr. Kirsten Schmieder, um 14:00 Uhr statt. Bis 18:00 Uhr können die Skulpturen bestaunt und sogar zu Gunsten der „Lions-Förderung für hörgeschädigte Kinder“ erworben werden.
📅 Wann: Donnerstag, 6. März 2025, 14 Uhr
📍 Wo: Foyer Zentrum für Operative Medizin II, Uniklinik Düsseldorf, Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf
2️⃣ KRITIS: Deutschland als logistische Drehscheibe im Verteidigungsfall und in Katastrophen
Die zweite Fachtagung KRITIS widmet sich den Herausforderungen des deutschen Gesundheitswesens in einer Zeit hybrider Bedrohungen. Entscheidungsträger aus Bund, Ländern, Bundeswehr, Hilfsorganisationen sowie der Wirtschaft und Gesellschaft kommen zusammen, um über die Rolle Deutschlands als logistische Drehscheibe im Verteidigungsfall zu diskutieren. Im Fokus stehen Fragen zur nationalen Patientensteuerung, Anforderungen des Operationsplans Deutschland und der Vorbereitung von Krankenhäusern auf spezifische Krisenszenarien.
Zu diskutierende Leitfragen sind:
- Braucht das deutsche Gesundheitswesen mehr oder weniger Föderalismus?
- Wie kann der Bevölkerungsschutz in einer Bedrohungs- und Katastrophenlage wie Flut und Bränden funktionieren?
- Welche Anforderungen stellt der Operationsplan Deutschland an die Krankenhäuser in Deutschland?
- Wie kann und soll eine nationale Patientensteuerung funktionieren?
- Auf welche abweichenden Verletzungsmuster und Krankheitsbilder müssen sich Krankenhäuser in Deutschland in Krise und Krieg vorbereiten? Benötigen wir eine „Kriegsmedizin“ und was ist das genau?
- Wer ist für Krankenhausträger oder Kliniken die Ansprechstelle und wie kann die regionale Vernetzung mit Landesbehörden, Bundeswehr und anderen Kliniken gelingen?
Weitere Informationen zur Veranstaltung
📅 Wann: 6. März 2025
📍 Wo: BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin, Historisches Kesselhaus, Warener Straße 7, 12683 Berlin
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