
🗞 42/2025
Männerhirne altern schneller · Fortschritt in Genetik psychischer Erkrankungen · Darmflora liebt gesunde Routine · Kindheit reloaded – mit Neurowissenschaft und Videofilter · Lachen, Staunen, Forschen: Ig-Nobelpreise verliehen · Wissenschaft zum Anfassen
📌 5 weekly picks
1 📌 Männerhirne altern schneller – doch Alzheimer trifft öfter Frauen 🧠 📉👩🦳
Eine neue Großstudie bringt frischen Wind in die Alzheimerforschung: Männer verlieren im Alter mehr Hirnmasse – und das in mehr Hirnregionen – als Frauen. Dennoch erkranken Frauen deutlich häufiger an Alzheimer. Das Forschungsteam wertete über 12.500 MRT-Hirnscans von knapp 4.700 gesunden Personen aus. Die Teilnehmenden hatten mindestens zwei Scans im Abstand von drei Jahren. Analysiert wurden unter anderem das Gesamtvolumen der grauen Substanz sowie gezielt Bereiche, die bei Alzheimer besonders betroffen sind – etwa der Hippocampus.
Das Ergebnis:
- Männer zeigten schnelleren und umfassenderen Volumenverlust, z. B. in der sensorischen Hirnrinde (2,0 % Rückgang pro Jahr bei Männern, 1,2 % bei Frauen).
- Frauen hingegen behielten in vielen Regionen mehr Substanz – auch im Hippocampus, dem Gedächtniszentrum.
Wenn der Hirnabbau die Hauptursache für Alzheimer wäre, müssten Männer häufiger betroffen sein – sind sie aber nicht. Das stellt bisherige Annahmen infrage. Die Forschenden vermuten nun andere Erklärungen wie genetische Unterschiede, hormonelle Faktoren (z. B. Östrogen) oder der einfache Fakt, dass Frauen älter werden – und Alter der größte Alzheimer-Risikofaktor ist.
🔗 Quelle: nature
2 📌 Fortschritt in Genetik psychischer Erkrankungen 🧬🧠🧪
Depressionen entstehen nicht nur durch Stress oder traumatische Erfahrungen – unsere Gene spielen auch eine Rolle. Seit über 15 Jahren erforscht das Team um Prof. Hans J. Grabe an der Unimedizin Greifswald, welche genetischen Faktoren psychische Erkrankungen beeinflussen. Die Forschenden arbeiten inzwischen eng mit internationalen Konsortien zusammen und analysieren riesige Datensätze, etwa aus der SHIP-Studie oder bildgebenden Verfahren. Dank moderner Genchips können heute Millionen genetischer Marker gleichzeitig untersucht werden – ein Quantensprung gegenüber früheren Laborarbeiten mit Pipette und Geduld. Eine aktuelle Analyse zeigt: 308 Gene sind bei Depressionen beteiligt, viele davon wirken in der Amygdala, einer zentralen Hirnregion für Emotionen.
Dieses Wissen eröffnet neue Therapieoptionen – etwa Medikamente, die gezielt auf Risikogene wirken. Auch Knock-out-Experimente an Organoiden helfen, genetische Zusammenhänge besser zu verstehen. Ziel ist es, zu klären, warum manche Menschen trotz gleicher Belastung gesund bleiben und andere erkranken.
👉 Zur PM der Universitätsmedizin Greifswald
3 📌 Verbände fordern Strategie gegen Anstieg von Leberkrebs 🩻📢🛑
Leberkrebs ist eine der am schnellsten zunehmenden Krebsarten in Europa. Besonders betroffen ist das sogenannte hepatozelluläre Karzinom (HCC), das meist aus einer chronischen Lebererkrankung entsteht. Anlässlich des europäischen Fachkongresses UEG Week 2025 fordern die führenden Leberexpert:innen von UEG (United European Gastroenterology) und DGVS (Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten) nun mehr Einsatz bei Vorbeugung und Früherkennung.
Viele Leberkrebserkrankungen könnten vermieden werden, wenn die Ursachen früh erkannt und behandelt würden. Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählen Übergewicht, Diabetes Typ 2, Bewegungsmangel, übermäßiger Alkoholkonsum sowie chronische Virusinfektionen mit Hepatitis B oder C. Auch eine sogenannte „Fettleber“ (medizinisch: MASLD) kann über Jahre unbemerkt bestehen und schließlich zu Krebs führen. Die Fachgesellschaften empfehlen daher eine gesunde, ausgewogene Ernährung – idealerweise im Stil der mediterranen Kost – sowie weniger stark verarbeitete Lebensmittel. Sie sprechen sich auch für strengere Regeln bei der Vermarktung von ungesunden Lebensmitteln und eine bessere Aufklärung aus.
Für die Früherkennung von Leberkrebs schlagen die Expert:innen vor, nicht alle Menschen pauschal zu untersuchen, sondern gezielt diejenigen, die ein erhöhtes Risiko haben – zum Beispiel Personen mit bekannter Lebererkrankung oder bestimmten Laborwerten. Diese Menschen könnten regelmäßig per Ultraschall oder MRT untersucht werden, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Denn: Wird Leberkrebs früh entdeckt, ist er oft noch heilbar. Die Expert:innen fordern die Politik auf, mehr in Aufklärung, Früherkennung und gerechte Versorgung zu investieren. Ihr Appell: „Leberkrebs ist vermeidbar – wir müssen die vorhandenen Möglichkeiten jetzt konsequent nutzen.“
👉 Zum gemeinsamen Statement der UEG und DGVS
4 📌 🦠 Darmflora: Nicht nur was, sondern wie regelmäßig und wie oft wir gesund essen, zählt 🕒🥗
Eine neue Studie mit über 1.000 Teilnehmenden zeigt: Wer regelmäßig gesund isst – nicht nur gelegentlich – hat die vielfältigste und stabilste Darmflora. Entscheidend ist also nicht nur der Inhalt des Tellers, sondern die Konstanz gesunder Essgewohnheiten im Alltag.
Teilnehmer protokollierten ihre Mahlzeiten per App; ihre Darmmikrobiota wurde genetisch analysiert. Ergebnis: Die tägliche Regelmäßigkeit gesunder Lebensmittel wie Gemüse, Nüsse und Ballaststoffe war stärker mit einer gesunden Darmflora verbunden als die durchschnittliche Essensmenge allein.
Die Forscher:innen schließen: Gute Ernährung entfaltet ihre volle Wirkung vor allem durch Regelmäßigkeit – ein wichtiger Hinweis für Prävention, Mikrobiommedizin und personalisierte Ernährung.
🔗 Zum Artikel in nature
🍽️ | Tipp | Warum es wirkt |
---|---|---|
🥦 | Täglich Ballaststoffe | Fördert die Produktion entzündungshemmender Fettsäuren |
📅 | Regelmäßig gesund essen | Stabile Essgewohnheiten → stabile Darmflora |
🍟 | Weniger Fast Food | Verarbeitete Lebensmittel reduzieren die Artenvielfalt im Darm |
🌈 | Viel Pflanzenvielfalt | Ziel: 30 Pflanzenarten/Woche für mehr Mikrobienvielfalt |
💧 | Ausreichend trinken | Wasser hilft der Verdauung & aktiviert Ballaststoffe |
Singh, R., McDonald, D., Hernandez, A.R. et al. Temporal nutrition analysis associates dietary regularity and quality with gut microbiome diversity: insights from the Food & You digital cohort. Nat Commun 16, 8635 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-63799-z
5 📌 ⚡ Warum auch gesunde Herzen plötzlich aus dem Takt geraten können🫀🔄
Plötzlicher Herztod bei jungen, scheinbar gesunden Menschen – ein medizinisches Rätsel. Forschende der Universität Freiburg haben nun mit einer neuartigen 3D-Bildgebung im Tiermodell eine mögliche Ursache gefunden: Narbengewebe im Herzmuskel, das in Ruhe unauffällig bleibt, kann bei körperlicher oder emotionaler Belastung elektrische Signale gezielt stören – wie ein Filter, der schnelle Impulse blockiert. Das Team konnte erstmals sichtbar machen, wie sich vernarbtes Gewebe nicht nur „im Weg" befindet, sondern aktiv beeinflusst, wie elektrische Erregung im Herzen weitergeleitet wird. Besonders relevant: Diese Veränderungen treten oft nur bei erhöhter Herzfrequenz auf – also genau dann, wenn das Risiko für gefährliche Rhythmusstörungen steigt.

Langfristiges Ziel der Forschung ist es, mit diesen Erkenntnissen digitale Zwillinge des Herzens zu entwickeln – individuelle Computermodelle, mit denen Ärzt:innen das persönliche Risiko besser abschätzen und gezielter behandeln können. Die Ergebnisse zeigen: Für die künftige Diagnostik reicht es nicht, nur die Struktur des Herzens zu betrachten. Entscheidend ist auch, wie verschiedene Zelltypen elektrisch miteinander kommunizieren – und das könnte Leben retten.
👉 Weiterlesen auf den Seiten der UK Freiburg
Giardini, F., Olianti, C., Marchal, G.A. et al. Correlative imaging integrates electrophysiology with three-dimensional murine heart reconstruction to reveal electrical coupling between cell types. Nat Cardiovasc Res (2025). https://doi.org/10.1038/s44161-025-00728-9
PLUS …
💬 Über unseren Tellerrand
1️⃣ Kindheit reloaded – mit Neurowissenschaft und Videofilter 🧠👶
„Lasst euch die Kindheit nicht austreiben!“ – Erich Kästners Appell (aus seiner „Rede zum Schulbeginn“, die er vor Schülern und Lehrern hielt) bekommt jetzt wissenschaftlichen Rückenwind. Forschende aus den USA und Großbritannien zeigen: Wer sich selbst als Kind sieht, erinnert sich besser an die eigene Vergangenheit.
In einem Experiment betrachteten Teilnehmende ihr eigenes Gesicht – einmal unverändert, einmal mit Babyfilter. Die sogenannte Enfacement-Illusion beeinflusste die Selbstwahrnehmung und aktivierte tiefere Erinnerungen. “Im Rahmen des Experiments werden die Teilnehmenden gebeten, an einem Zoom-Call teilzunehmen, bei dem der Baby-Gesichtsfilter von Snap Camera verwendet wird, um die Illusion eines kindlichen Gesichts zu erzeugen", erklärt Utkarsh Gupta. Der Neurowissenschaftler der Anglia Ruskin University (ARU) in Cambridge ist Hauptautor der Studie, die in Nature-Journal "Scientific Reports" veröffentlicht wurde. Die Probanden, die sich als Kind sahen, berichteten detaillierter über ihre Kindheit. Laut Studie gibt es eine Wechselwirkung zwischen körperlichem Selbstbild und autobiografischem Gedächtnis. Das Verfahren wird bereits in der Psychologie eingesetzt – etwa bei Angst oder Stress. Und vielleicht bald auch als Partyspiel: Tablet raus, Filter drauf, Erinnerungen teilen!
Kindliche Neugier trifft moderne Technik – ein spannender Ansatz, um dem eigenen Ich neu zu begegnen.
👉 📺 Hier erklärt Utkarsh Gupta, wie die Enfacement-Illusion funktioniert
👉 Weitere Informationen auf den Seiten des mdr
Gupta, U., Bright, P., Clarke, A. et al. Illusory ownership of one’s younger face facilitates access to childhood episodic autobiographical memories. Sci Rep 15, 32564 (2025). https://doi.org/10.1038/s41598-025-17963-6
2️⃣ 🎉 Lachen, Staunen, Forschen: Die Ig-Nobelpreise 2025 sind verliehen!
Zum 35. Mal wurden die Ig-Nobelpreise vergeben – jene Auszeichnungen, die Wissenschaft feiern, die uns zuerst zum Lachen und dann zum Nachdenken bringt. Bei der feierlichen Zeremonie an der Boston University wurden zehn skurrile, aber ernsthaft durchgeführte Studien prämiert.
🐄 In der Kategorie Biologie überzeugte ein japanisches Team mit einer verblüffend simplen Idee: Kühe mit Zebra-Streifen werden seltener von Fliegen gebissen. Die Streifen irritieren die Insekten – ganz ohne Chemie.
🍽️ Der Physikpreis ging an Forscher aus Europa, die das Geheimnis klumpender Pastasauce lüfteten. Ihre Erkenntnis: Stärke verhindert den gefürchteten „Mozzarella-Effekt“ bei Cacio e Pepe.
🧪 In der Chemie wurde Teflon als kalorienfreie Magenfüllung getestet – eine Idee, die mehr Fragen als Antworten hinterlässt.
🦎 Beim Ernährungspreis zeigten Echsen aus Togo eine Vorliebe für Käsepizza – ganz wie ihre italienischen Beobachter.
📚 Der Literaturpreis ehrte posthum einen Forscher, der 35 Jahre lang das Wachstum seines Fingernagels dokumentierte. Und in der Psychologie wurde untersucht, wie Narzissten reagieren, wenn man ihnen sagt, sie seien klug.
👶 In der Pädiatrie ging es um Babys und Knoblauch – genauer: was ein Säugling schmeckt, wenn die Mutter Knoblauch gegessen hat.
🍻 Der Friedenspreis zeigte, dass Alkohol die Fremdsprachenfähigkeit verbessern kann – besonders bei Deutschen, die nach einem Bier besser Niederländisch sprechen.
🦇 Der Luftfahrtpreis untersuchte, wie Alkohol die Flugfähigkeit von Fledermäusen beeinflusst. Und in der Kategorie Engineering-Design wurde erforscht, wie stinkende Schuhe das Erlebnis eines Schuhregals verändern.
🎭 Begleitet wurde die Preisverleihung von einer Mini-Oper über gastroenterologische Plagen und dem traditionellen Papierflieger-Wurf.
Wissenschaft mit Augenzwinkern – und Tiefgang.
👉 Weitere Informationen auf den Seiten von chemie.de
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1️⃣ 🧳 Mehr als 30% der wissenschaftlichen Nobelpreisträger dieses Jahrhunderts waren Immigranten🏆🌍
Eine neue Nature-Analyse zeigt: Seit dem Jahr 2000 stammen mehr als 30 % der Nobelpreisträger:innen in Physik, Chemie und Medizin nicht aus dem Land, in dem sie den Preis gewonnen haben. Viele von ihnen – wie Albert Einstein oder Marie Curie einst – zogen dorthin, wo sie bessere Forschungsbedingungen fanden.
Die USA sind nach wie vor Hauptziel für internationale Spitzenforschung: Allein 41 der 63 „mobilen“ Preisträger:innen lebten in den USA, als sie den Nobelpreis erhielten. Doch auch Länder wie Großbritannien oder Australien profitieren – oder verlieren – durch diese globale Mobilität.
Warum wechseln so viele kluge Köpfe das Land? „Talent kann überall geboren werden – aber Chancen nicht“, sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Ina Ganguli. Forschende suchen Labore, Geräte, Fördermittel und Netzwerke – all das ist global ungleich verteilt. Gleichzeitig warnt die Studie: Neue Einwanderungsbeschränkungen, Studienplatzkürzungen und Förderstopps gefährden die internationale Forschungsfreiheit – etwa in den USA, Australien und Japan. Währenddessen versuchen andere Länder wie Frankreich oder Kanada gezielt, internationale Talente anzuziehen.
🔗 Quelle: nature
📣 Ankündigungen
1️⃣💡Expedition Körper: Wissenschaft zum Anfassen 🚀🧬
Riesengroße Organmodelle, Virtual-Reality-Erlebnisse und Mitmachaktionen machen komplexe Prozesse greifbar. Wie funktioniert die Darm-Hirn-Achse? Was passiert im neurochirurgischen OP-Saal? Und wie sieht ein Tumor unter dem Mikroskop aus?
Am letzten Oktober-Wochenende öffnet das Uniklinikum Erlangen seine Türen zur Langen Nacht der Wissenschaften und lädt ein zu einer Reise der besonderen Art: hinein in den menschlichen Körper. Zwischen 17 und 24 Uhr erwartet die Besucher:innen ein interaktives Programm rund um Immunmedizin und Krebsforschung. Expert:innen des Deutschen Zentrums Immuntherapie und des Comprehensive Cancer Center Erlangen-EMN geben spannende Einblicke in aktuelle Forschung. Kurz-Vorträge und Tandem-Talks sorgen für schnelle Wissensvermittlung. Für kulinarische Stärkung sorgen Foodtrucks und eine Molekular-Kochshow.
👉 Tickets sind online oder an der Abendkasse erhältlich (Führungen sind kostenfrei, aber nur mit Anmeldung)
📅 Wann: 25. Oktober 2025, von 17 bis 24 Uhr
📍 Wo: UK Erlangen, Ulmenweg 18, 91054 Erlangen
2️⃣ DGOU-Kongress: Versorgung im Umbruch – Chancen nutzen 🔄🚑🔬
Die Welt verändert sich – und mit ihr die Medizin. Altbewährtes verliert an Gewicht, neue Versorgungsformen gewinnen an Bedeutung. Ambulantisierung, Krankenhausreform und die Konzentration medizinischer Leistungen stellen das Gesundheitssystem auf den Prüfstand. Gleichzeitig geraten Standards in der Notfall- und Elektivversorgung unter Druck: Die Finanzierung wird schwieriger, die Ressourcen knapper. Die Pandemie hat Spuren hinterlassen – und die erhoffte Erholung blieb aus.
Doch jede Krise birgt auch Chancen. Deshalb lautet das Motto des diesjährigen Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU): „Wandel gestalten – Medizin neu denken“.
Fortschritt bedeutet für Patient:innen bessere Therapien – individuell abgestimmt und interdisziplinär umgesetzt. Für die Orthopädie und Unfallchirurgie heißt das: evidenzbasierte Medizin, digitale Innovationen und sektorenübergreifende Versorgung. Die Fachgesellschaften gestalten neue Strukturen und die Weiterbildung, um dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen. Der Kongress im CityCube soll zur Plattform für moderne Formate und junge Talente werden.
📅 Wann: 28. bis 31. Oktober 2025
📍 Wo: CityCube Berlin, Messedamm 26, 14055 Berlin
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