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🗞 37/2025

Erstmals sind mehr Kinder fettleibig als untergewichtig · Fakten gegen Dampf und Rauch 🚬 · Trainieren gegen das Vergessen · Wenn Nervenzellen im Auge absterben · Neue Theorie zur Herzinsuffizienz

Karl-Richard Eberle Mirjam Bauer

📌 5 weekly picks

1 📌 Unicef: Erstmals sind mehr Kinder fettleibig als untergewichtig

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef hat diese Woche mit einer Meldung für große Aufmerksamkeit gesorgt: Erstmals in der Geschichte sind weltweit mehr Kinder und Jugendliche fettleibig als untergewichtig. Diese Entwicklung markiert einen dramatischen Wandel in der globalen Fehlernährung und offenbart die Schwächen moderner Ernährungssysteme, die von stark verarbeiteten Lebensmitteln geprägt sind. Laut dem am Dienstag veröffentlichten Unicef-Ernährungsbericht "Feeding Profit: How Food Environments are Failing Children" sind 9,4 Prozent der Kinder im Alter von 5 bis 19 Jahren – rund 188 Millionen weltweit – mittlerweile fettleibig. Die Zahl untergewichtiger Kinder in dieser Altersgruppe sank hingegen von 13 Prozent im Jahr 2000 auf 9,2 Prozent. Insgesamt sind nach Unicef-Angaben etwa 391 Millionen Kinder und Jugendliche übergewichtig, wobei fast die Hälfte von ihnen als fettleibig eingestuft wird

Der beachtenswerte Bericht beschreibt, wie Lebensmittelumgebungen Kinder und Jugendliche einer ständigen Versorgung mit billigen und aggressiv vermarkteten ultraverarbeiteten Lebensmitteln und zuckerhaltigen Getränken aussetzen, während sie nahrhafte und erschwingliche Optionen nicht zur Verfügung stellen. Er erklärt auch, wie der Mangel an wirksamer Politik die Länder nicht darauf vorbereitet lässt, Kinder und Jugendliche vor diesen schädlichen Lebensmittelumgebungen zu schützen.

Besonders dramatisch ist die Situation in pazifischen Inselstaaten wie Niue, den Cookinseln oder Nauru, wo mehr als ein Drittel der Heranwachsenden fettleibig ist. In Chile sind 27 Prozent der Kinder und Jugendlichen adipös, in den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten jeweils 21 Prozent.

Zur Pressemeldung der United Nations

🔗 The 2025 Child Nutrition Report – ‘Feeding Profit: How food environments are failing children’

2 📌 Krebspräventionswoche 2025: Fakten gegen Dampf und Rauch 🚬

Die Nationale Krebspräventionswoche fand in diesem Jahr mit dem Schwerpunkt „Fakten gegen Dampf und Rauch“ statt. Initiativen von Deutscher Krebshilfe, Deutschem Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Deutscher Krebsgesellschaft machen auf die gravierenden Gesundheitsrisiken von Tabak- und Nikotinprodukten aufmerksam. Allein 2023 starben in Deutschland 131.000 Menschen an den Folgen des Rauchens, das als wichtigster vermeidbarer Krebsrisikofaktor gilt und mit 42 % den größten Anteil an tabakbedingten Todesfällen ausmacht. Neben Lungenkrebs sind mindestens 16 weitere Krebsarten direkt mit Tabakkonsum verknüpft, zudem erhöhen Raucher:innen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle dramatisch. Die Kampagne fordert konsequenten Nichtraucherschutz und bessere Aufklärung, zum Beispiel über Nikotinersatzprodukte und E-Zigaretten.

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85 – 7 – 10: Drei Zahlen, die aufhorchen lassen. Rauchen verursacht rund 85 Prozent aller Lungenkrebserkrankungen. Etwa jeder 7. Todesfall in Deutschland ist auf das Rauchen zurückzuführen. Allein im Jahr 2023 waren es rund 131.000 Todesfälle. Wer mit dem Rauchen aufhört, kann jedoch bis zu 10 Jahre länger leben

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🔗 Download Tabakatlas 📙

3 📌 Trainieren gegen das Vergessen

Neue Studien der ETH Zürich und der Ostschweizer Fachhochschule zeigen, dass ein spielerisches Training die geistige Leistungsfähigkeit von älteren Menschen mit ersten Anzeichen von Demenz signifikant verbessert. In den Untersuchungen trainierten rund 40 Teilnehmende mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen zwölf Wochen lang fünfmal pro Woche jeweils 25 Minuten zu Hause. Dabei nutzten sie ein System aus Bildschirm und einer Bodenplatte, das Bewegung mit Denkaufgaben kombiniert – sogenannte „Exergames“.

Die Übungen forderten gezielt Gedächtnis, Aufmerksamkeit und räumliches Vorstellungsvermögen heraus, etwa durch Merken von Einkaufsliste und Entscheidungen durch Schrittbewegungen. Erstaunlich: Nach dem Training zeigten sich nicht nur deutliche Verbesserungen in der kognitiven Leistungsfähigkeit und Alltagstauglichkeit der Teilnehmenden, sondern auch messbare strukturelle Veränderungen im Gehirn. Insbesondere nahmen Volumen und Aktivität zentraler Gedächtnisregionen wie Hippocampus und Thalamus zu. Dies zeigt, dass das Gehirn selbst bei leichten Demenzsymptomen noch plastisch ist und durch gezieltes Training positiv beeinflusst werden kann. Personalisierte, spielerische Trainingsprogramme können also dazu beitragen, den Verlauf von Demenz zu verlangsamen oder Symptome zu mildern.

Weitere Details zum Forschungsprojekt finden sich im Originalbeitrag der ETH-News 👉 Hier weiterlesen

4 📌 Glaukom: Wenn Nervenzellen im Auge absterben

Neurowissenschaftler Univ.-Prof. Christian Behl von der Universitätsmedizin Mainz ist seit Juli 2025 Teil des internationalen Forschungsnetzwerks „Snow Vision Accelerator“, einem Projekt der University of Sydney und der Snow Medical Research Foundation, die sich der Transformation der Behandlung von Glaukom widmet. Laukom gilt als weltweit führende Ursache für irreversible Blindheit. Behl untersucht er die Rolle der Autophagie, speziell der Mitophagie, beim Glaukom. Autophagie ist ein zellulärer Selbstreinigungsprozess, der beschädigte Proteine und Zellbestandteile abbaut und recycelt, um die Zellfunktion zu erhalten. Bei Glaukom-Patient:innen scheint eine Dysbalance dieser Prozesse Nervenzellschäden zu verursachen. Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, therapeutische Ansätze zu entwickeln, die die Autophagie gezielt steuern und so den Sehnerv schützen können.

Behl, ein international anerkannter Experte für Autophagie und neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, bringt seine umfassende Erfahrung erstmals in die Glaukom-Forschung ein. Die Zusammenarbeit mit führenden Neurowissenschaftlern und Ophthalmologen in Australien schafft eine Brücke zwischen molekularer Grundlagenforschung und klinischer Anwendung. Die Studie verspricht Fortschritte bei der Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung und Prävention des Grünen Stars.

Zur Pressemitteilung der Uni Mainz

5 📌 Forscher stellt gängige Herzinsuffizienz-Theorie in Frage

Milton Packer, Forscher am Baylor University Medical Center, stellt herkömmliche Ansichten über die häufigste Form von Herzinsuffizienz in Frage stellt. Er schlägt vor, dass Veränderungen in der Biologie des inneren Fettgewebes—und nicht Bluthochdruck—der Haupttreiber dieser Erkrankung sein könnten. Packer veröffentlichte seine Adipokin-Hypothese am 31. August 2025 im Journal of the American College of Cardiology und präsentierte die Ergebnisse auf dem Kongress der European Society of Cardiology in Madrid.

Die Hypothese befasst sich mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion, einer Erkrankung, die nahezu 4 Millionen Amerikaner und weltweit 32 Millionen Menschen betrifft. Ein neues Verständnis der Rolle von Fett. Laut Packers Forschung entsteht die Erkrankung in erster Linie durch Veränderungen im viszeralen Fettgewebe, das lebenswichtige Organe wie das Herz umgibt. Anders als die bisherige Annahme, die Bluthochdruck als Hauptursache betonte, richtet sich dieses Modell darauf, wie sich inneres Fettgewebe von einer schützenden in eine krankmachende Substanz verwandelt. Adipokine sind Botenstoffe, die vom Fettgewebe freigesetzt werden und normalerweise dazu beitragen, Herz und Nieren zu schützen, indem sie Stress und Entzündungen reduzieren und das Flüssigkeitsgleichgewicht aufrechterhalten. Wenn sich jedoch überschüssiges inneres Fett ansammelt, erfährt dieses Gewebe laut Forschern eine „pathologische Transformation“. Das veränderte Fettgewebe beginnt, eine andere Gruppe von Adipokinen zu produzieren, die Entzündungen, Stress und Narbenbildung im Herzmuskel fördern.

Der Chefredakteur des Journal of the American College of Cardiology, Harlan Krumholz, nannte die Hypothese „kühn, dicht argumentiert und bewusst provokativ“ und betonte, dass die Zeitschrift sie veröffentlicht habe, weil „sie produktiv ist“ und „zur kritischen Auseinandersetzung einlädt“.

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Originalstudie
Milton Packer. The Adipokine Hypothesis of Heart Failure With a Preserved Ejection Fraction: A Novel Framework to Explain Pathogenesis and Guide Treatment
👉 link zum paper

Lesenswerter Kommentar des Chefredakteurs: Ideas Worth Testing

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💬 Über unseren Tellerrand

1️⃣ Seelischer Resonanzraum auf vier Rädern

Das AVATR VISION XPECTRA, nach eigenen Angaben das erste emotional intelligente Konzeptauto der Welt, feierte auf der IAA in München seine große Premiere. Höchste Zeit, dass ein Auto endlich versteht, wie sich sein Fahrer fühlt. Das Fahrzeug will weniger Fortbewegungsmittel, sondern mehr seelischer Resonanzraum auf vier Rädern sein: "Nicht Status, sondern Resonanz", so das offizielle Mantra. Wer also künftig beim Ampelstopp den Blues hat, darf hoffen, dass „The Vortex“ – eine Art leuchtende Gefühls-Discokugel im Cockpit – mit empathischem Lichtspiel antwortet.

Die Hightech-Karosse erkennt angeblich Gesten und Stimmungen und schaltet auf Wunsch nicht nur das Fahrlicht, sondern auch die Emotionen ein oder aus. AVATR nutzt München als Sprungbrett für die Europaoffensive. Man darf gespannt sein, ob mit dem „Emotive Luxury“ ein neuer Trend am Start ist.

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2️⃣ Marine Kohlenstoffsenke schwächelt

Die sogenannte marine Kohlenstoffsenke schwächelt: Eine internationale Studie unter Leitung der ETH Zürich zeigt, dass die Weltmeere 2023 während einer beispiellosen marinen Hitzewelle deutlich weniger CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen haben als erwartet. In diesem Jahr stiegen die Oberflächentemperaturen der Ozeane sprunghaft auf Rekordwerte, insbesondere im Nordatlantik, wo die hohe Temperatur die Löslichkeit von CO2 reduzierte und zu einer verstärkten CO2-Ausgasung führte.

Dies führte dazu, dass insgesamt fast eine Milliarde Tonnen CO2 – etwa zehn Prozent weniger – vom Ozean aufgenommen wurden, was in etwa der Hälfte der gesamten jährlichen CO2-Emissionen der EU entspricht. Trotz des starken CO2-Ausgasens im Nordatlantik kompensierten physikalische und biologische Prozesse, wie die Stabilisierung der Wasserschichtung und die biologische Pumpe, diese Wirkung teilweise und bewahrten die Senkenleistung davor, noch stärker zurückzugehen.

Die Hitzewelle und der begleitende starke El-Niño-Effekt führten zu komplexen Wechselwirkungen: Während im tropischen Ostpazifik weniger CO2 entwich, überstieg die Ausgasung im Nordatlantik diesen positiven Effekt klar. Die Zukunft dieser marine Kohlenstoffsenke bleibt ungewiss, insbesondere wie gut die kompensierenden Mechanismen bei weiterer Erwärmung ihre Wirkung entfalten können.

Lesen Sie die Originalstudie und weitere Details auf der ETH Zürich Webseite.

👉 Quelle: ETH Zürich

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Originalstudie
Müller JD, Gruber N, Schneuwly A, Bakker DC, Gehlen M, Gregor L, Hauck J, Landschützer P, McKinley GA: Unexpected decline of the ocean carbon sink under record-high sea surface temperatures in 2023. Nature Climate Change, 2. September 2025
doi: 10.1038/s41558-025-02380-4

📬 In unserer Mailbox

1️⃣ Pioniere für digitale Transparenz

Mit Jürgen Klauber verabschiedet sich einer der Pioniere für mehr Qualitätsmessung im deutschen Gesundheitswesen in den Ruhestand. Von praktisch fehlenden Qualitätsdaten um die Jahrtausendwende hin zu systematischer, routinedatenbasierter Transparenz hat sich die Qualitätsmessung grundlegend gewandelt, ein Weg, den auch MINQ aktiv mitgestaltet hat. Transparenz in der Gesundheitsversorgung ist inzwischen mehr als nur ein Schlagwort – sie ist das zentrale Kriterium für faire Patientenerfahrungen und effiziente Versorgung. In Deutschland haben die Analysen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) über die letzten beiden Jahrzehnte immer wieder neue Erkenntnisse über systemische Stärken und Schwächen geliefert. MINQ greift diese Impulse auf und übersetzt sie in praxisorientierte Ansätze für Transparenz und Vergleichbarkeit bei Ärzt:innen und Kliniken. Als digitale Plattform verbindet MINQ strukturiert Daten aus verschiedenen Quellen, ergänzt sie um Feedback, eigene Audits und kontinuierliche Analysen zu Qualität und Leistungsfähigkeit im Gesundheitswesen. Ziel ist es, Patient:innen und Angehörigen jederzeit einen nachvollziehbaren, datengestützten Überblick über Behandlungsqualität, Spezialisierung und Patientenerfahrungen zu bieten – bei Ärzt:innen ebenso wie in Kliniken und Pflegeeinrichtungen. MINQ sieht die Zukunft der Qualitätssicherung nicht in immer neuen Berichtspflichten, sondern in der intelligenten Nutzung vorhandener Routinedaten, objektiver Vergleichbarkeit – und einer klaren Orientierung an Patient:innenbedürfnissen.

🔗 Gespräch mit Jürgen Klauber in der Ärztezeitung

🔗 Pressemitteilung des WIdO

📣 Ankündigungen

1️⃣ Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V.

Themen sind: Innovationen durch zelltherapeutische Verfahren bei der Behandlung hämatologisch-onkologischer Erkrankungen, neue Konzepte für Diagnose und Therapie der Erkrankungen des blutbildenden Systems und, nicht zuletzt, die Sicherstellung der Versorgung unserer Bevölkerung mit Blutkomponenten im Notfall und in Krisenzeiten.

📅 Wann: 17. bis 19. September

📍 Wo: Mannheim

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2️⃣ Deutscher Rheumatologiekongress 2025

Schwerpunkte u.a.: Gendermedizin und Rheumatologie, Versorgung – stationär, ambulant und hybrid, Personalisierte Medizin und KI, Spektrum der Autoinflammation, Sport und Rheuma

📅 Wann: 17. - 20. September 2025

📍 Wo: RheinMain KongressCentrum Wiesbaden

👉 weitere Informationen

🤕 IchalsPatient

1️⃣ „Werden, wer ich bin”

In einem Vortrag beleuchtet Prof. Dr. Cornelia Wrzus den aktuellen Stand der Persönlichkeitsforschung und zeigt, wie sich Eigenschaften wie Extraversion oder Selbstwertgefühl im Erwachsenenalter verändern können. Sie geht dabei auf die Bedeutung von genetischen Faktoren, Lebensereignissen und Alltagsprozessen ein. Zudem stellt sie Ergebnisse eigener Interventionsstudien vor und gibt Einblicke in ein innovatives Forschungsprojekt, das Virtual Reality als Trainingsumgebung für Persönlichkeitsentwicklung nutzt.

Der Vortrag wird vom Leibniz-Institut für Alternsforschung und dem Beutenberg-Campus Jena e.V. organisiert. Die öffentlichen Vorträge der Reihe „Science & Society“ erweitern die in Jena betriebene naturwissenschaftlich-medizinische Grundlagenforschung zum Altern um soziale und gesellschaftliche Aspekte.

📅  Wann? 18. September 2025, 16:00 Uhr

📍 Wo? Hörsaal, Abbe-Zentrum Beutenberg

📺  LIVESTREAM: Die Veranstaltung wird auch per Livestream angeboten. Bitte nutzen Sie dafür den folgenden Link: https://online.mmz.uni-jena.de/beta/livestream/?hsid=4511_azb

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